04.08.2021

BAG setzt Verfahren über Nachtarbeit-Zuschläge bis zur Entscheidung des EuGH in ähnlichen Fällen aus

Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH anhängig ist.

BAG v. 28.7.2021 - 10 AZR 397/20 (A)
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Süßwarenindustrie. Der Kläger versieht bei ihr Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit. Die Parteien sind an den Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie vom 14.5.2007 (BMTV) gebunden. Der BMTV bestimmt, dass für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr fällt, ein Zuschlag von 15 % je Stunde zu zahlen ist. Für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr fällt, ist ein Zuschlag von 20 % je Stunde geschuldet. Sonstige Nachtarbeit ist mit zusätzlich 60 % je Stunde zu vergüten.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten für die von ihm in der Nachtzeit erbrachten Arbeitsstunden eine höhere als die bereits geleistete Vergütung. Er ist der Auffassung, die Regelungen im BMTV zu den Zuschlägen für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeit zur Nachtzeit werde in unterschiedlicher Höhe vergütet. Andere Umstände als der Gesundheitsschutz könnten höhere Zuschläge nicht rechtfertigen. Er habe deshalb Anspruch auf die Zuschläge von 60 % je Stunde für sonstige Nachtarbeit. Die Beklagte ist der Ansicht, die tarifvertraglichen Bestimmungen seien wirksam. Die allenfalls mittelbar an die Grundrechte gebundenen Tarifvertragsparteien hätten den ihnen nach Art. 9 Abs. 3 GG zukommenden weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eingehalten. Der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit solle nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern diene auch dem Schutz der Freizeit der Arbeitnehmer. Eine sog. Anpassung nach oben erweitere den Kostenrahmen der Beklagten in unzumutbarem Umfang.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das BAG setzte den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO aus, bis der EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen C-257/21 und C-258/21 (Coca-Cola European Partners Deutschland u.a.) entschieden hat.

Die Gründe:
Die beiden Vorabentscheidungsersuchen sind in zwei von fast 400 vor dem BAG anhängigen Revisionsverfahren ergangen, in denen es um die Höhe tariflicher Zuschläge für Arbeitsstunden geht, die in Nachtschichten geleistet werden.

Entscheidungserheblich sind Fragen der Auslegung von Unionsrecht. Das BAG hat den EuGH um Vorabentscheidung über diese Fragen ersucht (BAG v. 9.12.2020 - 10 AZR 332/20 (A) und 10 AZR 333/20 (A), vor dem EuGH anhängig unter C-257/21 und C-258/21, Coca-Cola European Partners Deutschland u.a.). Sie stellen sich in gleicher Weise in dem geführten Rechtsstreit.
BAG PM Nr. 22 vom 4.8.2021
Zurück