12.06.2018

Beamte dürfen auch weiterhin nicht streiken

Das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte ist als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten. Es steht auch mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang und ist insbesondere mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

BVerfG 12.6.2018, 2 BvR 646/15 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführenden sind oder waren als beamtete Lehrkräfte an Schulen in drei verschiedenen Bundesländern tätig. Sie hatten in der Vergangenheit während der Dienstzeit an Protestveranstaltungen bzw. Streikmaßnahmen einer Gewerkschaft teilgenommen. Diese Teilnahmen wurden durch die zuständigen Disziplinarbehörden als Verstoß gegen grundlegende beamtenrechtliche Pflichten geahndet. Insbesondere dürfe ein Beamter nicht ohne Genehmigung dem Dienst fernbleiben.

Die gegen die jeweils ergangenen Disziplinarverfügungen gerichteten Klagen blieben in den fachgerichtlichen Ausgangsverfahren ohne Erfolg. Das BVerfG nun hat die vier gegen das Streikverbot für Beamte gerichteten Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Hoheitsakte sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie beeinträchtigen zwar das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Allerdings ist die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit durch hinreichend gewichtige, verfassungsrechtlich geschützte Belange gerechtfertigt. Das Streikverbot nämlich ist Teil der institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG und vom Gesetzgeber zu beachten. Ein Streikrecht, auch nur für Teile der Beamtenschaft, griffe in den grundgesetzlich gewährleisteten Kernbestand von Strukturprinzipien ein und gestaltete das Verständnis vom und die Regelungen des Beamtenverhältnisses grundlegend um.

Für eine Regelung etwa der Besoldung durch Gesetz bliebe im Fall der Zuerkennung eines Streikrechts kein Raum. Könnte die Besoldung von Beamten oder Teile hiervon erstritten werden, ließe sich die derzeit bestehende Möglichkeit des einzelnen Beamten, die verfassungsmäßige Alimentation gerichtlich durchzusetzen, nicht mehr rechtfertigen. Das Alimentationsprinzip dient aber zusammen mit dem Lebenszeitprinzip einer unabhängigen Amtsführung und sichert die Pflicht des Beamten zur vollen Hingabe für das Amt ab.

Eine ausdrückliche gesetzliche Normierung des Streikverbots für Beamte ist von Verfassungs wegen nicht gefordert. Die Beschränkung der Koalitionsfreiheit ist insoweit, als die Führung von Arbeitskämpfen durch Beamtinnen und Beamte in Rede steht, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Streikverbot für Beamte trägt auch dem Grundsatz der praktischen Konkordanz Rechnung. Das Spannungsverhältnis zwischen Koalitionsfreiheit und Art. 33 Abs. 5 GG ist zugunsten eines für Beamtinnen und Beamte bestehenden Streikverbots aufzulösen.

Der Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG trifft Beamtinnen und Beamte auch nicht unzumutbar schwer. Ein Streikverbot führt nicht zu einem vollständigen Zurücktreten der Koalitionsfreiheit und beraubt sie nicht gänzlich ihrer Wirksamkeit. Auch hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die zu einer Kompensation der Beschränkung von Art. 9 Abs. 3 GG bei Beamtinnen und Beamten beitragen sollen, namentlich Beteiligungsrechte der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften bei der Vorbereitung gesetzlicher Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse.

Das Streikverbot für Beamtinnen steht schließlich mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG im Einklang und ist insbesondere mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Unabhängig davon, ob das Streikverbot für deutsche Beamte einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 EMRK darstellt, ist es schon wegen der Besonderheiten des deutschen Systems des Berufsbeamtentums nach Art. 11 Abs. 2 S. 1 EMRK bzw. Art. 11 Abs. 2 S. 2 EMRK gerechtfertigt.

Das Streikverbot erfüllt auch die Anforderungen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, soweit danach die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 11 Abs. 1 EMRK ein dringendes soziales bzw. gesellschaftliches Bedürfnis voraussetzt und die Einschränkung verhältnismäßig sein muss. Denn wenn eine Einschränkung den Kern gewerkschaftlicher Tätigkeit betrifft, ist danach dem nationalen Gesetzgeber ein geringerer Beurteilungsspielraum zuzugestehen und mehr zu verlangen, um den daraus folgenden Eingriff in die Gewerkschaftsfreiheit mit dem öffentlichen Interesse zu rechtfertigen. Wird aber umgekehrt nicht der Kern, sondern nur ein Nebenaspekt der Gewerkschaftstätigkeit berührt, ist der Beurteilungsspielraum weiter und der jeweilige Eingriff eher verhältnismäßig.

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BVerfG PM Nr. 46 vom 12.6.2018
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