Begriff "Freizeitausgleichsansprüche" erfasst auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung
LAG Hamm v. 24.3.2023 - 1 Sa 1217/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger war als Markleiter für die Beklagte tätig. Das Arbeitsverhältnis endete auf der Grundlage eines gerichtlichen Vergleiches vom 4.10.2021 mit Ablauf des 30.6.2022. Die Beendigung knüpfte an eine betriebsbedingte Kündigung vom 19.8.2021 an. Ausweislich der Regelung in Ziffer 4) des Vergleichs hielten die Parteien fest:
"Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt. Die Freistellung gilt für den gesamten noch folgenden Zeitraum vom 10.9.2021 bis zum 30.6.2022."
Eine Erledigungsklausel nahmen die Parteien in den gerichtlichen Vergleich nicht auf. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers belief sich auf 37,5 Stunden. Der Kläger legte die Dauer der täglichen Arbeit in unterschiedlichem Umfang flexibel fest. Die geleisteten Arbeitszeiten wurden mittels des Programms "ATOSS" in Form eines Schichtplans ausgewiesen.
Mit seiner Klage forderte der Kläger Abgeltung von insgesamt 553,20 Überstunden bei einem Stundenverdienst von 24,62 €. Er behauptete, der Beklagten sei bekannt, dass er als Marktleiter an sechs Tagen seine Arbeitsleistung nicht mit lediglich durchschnittlich 6,25 Stunden je Arbeitstag habe erbringen können. Die Beklagte habe die von ihm geleisteten Arbeitszeiten trotz Kenntnis nicht beanstandet, damit geduldet und somit auch konkludent angeordnet. Eine Vergütung der Überstunden sei - insoweit unstreitig - nicht erfolgt. Der Kläger war der Auffassung, die im Vergleich geschlossene Vereinbarung über seine Freistellung führe nicht dazu, dass ihm Ansprüche aus geleisteten Überstunden nicht mehr zustünden. Darin sei lediglich geregelt worden, dass "Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche" auf die Freistellung angerechnet werden sollten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang von 718,20 € hinsichtlich eingeforderter Fahrtkosten stattgegeben, sie im Übrigen aber abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung von 8.228 € brutto für Überstunden, die er im Kalenderjahr 2020 sowie in der Zeit vom 31.7.2021 bis zum 1.1.2023 erbracht haben will, beanspruchen.
Dem stand bereits entgegen, dass ein etwaiger Anspruch auf Abgeltung von Überstunden nach § 364 Abs. 1 BGB durch die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Vereinbarung der Parteien zu Ziff. 4 erloschen wäre. Regeln die Parteien in einem gerichtlich protokollierten Vergleich, der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung zum Gegenstand hat, dass der klagende Arbeitnehmer unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird, werden in einem weiten Verständnis des Begriffs "Freizeitausgleichsansprüche" auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung erfasst.
Die Klage war aber auch deshalb unbegründet, weil es dem Kläger nicht gelungen war, die Leistung der behaupteten Überstunden und deren Veranlassung durch die Beklagte dazulegen. Zwar hatte der Kläger die Anzahl der von ihm geleisteten Stunden schlüssig vorgetragen. Doch fehlte es seinem Vortrag an ausreichender Substanz, soweit es darum ging, dass etwaige Überstunden von der Beklagten veranlasst worden sein sollten. Dabei ließ sich das Gericht von dem zuletzt in der BAG-Entscheidung vom 4.5.2022 - 5 AZR 359/21 - wiedergegebenen Grundsatz leiten, im Zivilprozess müsse derjenige, der von einem anderen etwas fordert, die Tatsachen darlegen und im Streitfall beweisen, die seinen Anspruch begründen sollen.
Zwar mag es für einen Arbeitnehmer schwierig sein, Überstundenvergütungen gerichtlich durchzusetzen. Doch liegen die Schwierigkeiten im Rahmen eines Überstundenprozesses regelmäßig darin begründet, dass bis zur gerichtlichen Geltendmachung von Überstunden über einen längeren Zeitraum hinweg abgewartet wird und keine aussagekräftigen Unterlagen zur Begründung des Anspruchs vorgelegt werden können. Bereits die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gebietet es, dass ein Arbeitnehmer sich Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitszeiten macht, um vorzutragen zu können, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber entstandene Überstunden veranlasst hatte.
Mehr zum Thema:
Kommentierung
Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022
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Justiz NRW
Der Kläger war als Markleiter für die Beklagte tätig. Das Arbeitsverhältnis endete auf der Grundlage eines gerichtlichen Vergleiches vom 4.10.2021 mit Ablauf des 30.6.2022. Die Beendigung knüpfte an eine betriebsbedingte Kündigung vom 19.8.2021 an. Ausweislich der Regelung in Ziffer 4) des Vergleichs hielten die Parteien fest:
"Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt. Die Freistellung gilt für den gesamten noch folgenden Zeitraum vom 10.9.2021 bis zum 30.6.2022."
Eine Erledigungsklausel nahmen die Parteien in den gerichtlichen Vergleich nicht auf. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers belief sich auf 37,5 Stunden. Der Kläger legte die Dauer der täglichen Arbeit in unterschiedlichem Umfang flexibel fest. Die geleisteten Arbeitszeiten wurden mittels des Programms "ATOSS" in Form eines Schichtplans ausgewiesen.
Mit seiner Klage forderte der Kläger Abgeltung von insgesamt 553,20 Überstunden bei einem Stundenverdienst von 24,62 €. Er behauptete, der Beklagten sei bekannt, dass er als Marktleiter an sechs Tagen seine Arbeitsleistung nicht mit lediglich durchschnittlich 6,25 Stunden je Arbeitstag habe erbringen können. Die Beklagte habe die von ihm geleisteten Arbeitszeiten trotz Kenntnis nicht beanstandet, damit geduldet und somit auch konkludent angeordnet. Eine Vergütung der Überstunden sei - insoweit unstreitig - nicht erfolgt. Der Kläger war der Auffassung, die im Vergleich geschlossene Vereinbarung über seine Freistellung führe nicht dazu, dass ihm Ansprüche aus geleisteten Überstunden nicht mehr zustünden. Darin sei lediglich geregelt worden, dass "Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche" auf die Freistellung angerechnet werden sollten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang von 718,20 € hinsichtlich eingeforderter Fahrtkosten stattgegeben, sie im Übrigen aber abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung von 8.228 € brutto für Überstunden, die er im Kalenderjahr 2020 sowie in der Zeit vom 31.7.2021 bis zum 1.1.2023 erbracht haben will, beanspruchen.
Dem stand bereits entgegen, dass ein etwaiger Anspruch auf Abgeltung von Überstunden nach § 364 Abs. 1 BGB durch die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Vereinbarung der Parteien zu Ziff. 4 erloschen wäre. Regeln die Parteien in einem gerichtlich protokollierten Vergleich, der die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer Kündigung zum Gegenstand hat, dass der klagende Arbeitnehmer unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird, werden in einem weiten Verständnis des Begriffs "Freizeitausgleichsansprüche" auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung erfasst.
Die Klage war aber auch deshalb unbegründet, weil es dem Kläger nicht gelungen war, die Leistung der behaupteten Überstunden und deren Veranlassung durch die Beklagte dazulegen. Zwar hatte der Kläger die Anzahl der von ihm geleisteten Stunden schlüssig vorgetragen. Doch fehlte es seinem Vortrag an ausreichender Substanz, soweit es darum ging, dass etwaige Überstunden von der Beklagten veranlasst worden sein sollten. Dabei ließ sich das Gericht von dem zuletzt in der BAG-Entscheidung vom 4.5.2022 - 5 AZR 359/21 - wiedergegebenen Grundsatz leiten, im Zivilprozess müsse derjenige, der von einem anderen etwas fordert, die Tatsachen darlegen und im Streitfall beweisen, die seinen Anspruch begründen sollen.
Zwar mag es für einen Arbeitnehmer schwierig sein, Überstundenvergütungen gerichtlich durchzusetzen. Doch liegen die Schwierigkeiten im Rahmen eines Überstundenprozesses regelmäßig darin begründet, dass bis zur gerichtlichen Geltendmachung von Überstunden über einen längeren Zeitraum hinweg abgewartet wird und keine aussagekräftigen Unterlagen zur Begründung des Anspruchs vorgelegt werden können. Bereits die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gebietet es, dass ein Arbeitnehmer sich Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitszeiten macht, um vorzutragen zu können, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber entstandene Überstunden veranlasst hatte.
Kommentierung
Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
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