04.09.2018

Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ist verfassungsgemäß

Die Beitragszahlung durch die Bezieher von Versorgungsbezügen in die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung ist verfassungsgemäß. Sie stellt weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar noch greift sie unverhältnismäßig in die Rechte der Betroffenen ein.

BVerfG 9.7.2018, 1 BvL 2/18
Der Sachverhalt:

Der Kläger des Ausgangsverfahrens war bei der im Ausgangsverfahren beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Sein Arbeitgeber schloss für ihn 2007 eine Direktversicherung ab, deren Prämien weitestgehend aus dem Bruttolohn des Klägers abgeführt wurden. Nachdem der Kläger 2015 eine Kapitalauszahlung erhalten hatte, erhob er gegen die Festsetzung der monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für den 120. Anteil der Auszahlung Klage beim Sozialgericht. Er war der Auffassung, dass die Kapitalzahlung überwiegend durch seine Eigenleistung erwirtschaftet worden sei und daher kein Versorgungsbezug vorliege.

Das Sozialgericht setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Normen des § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 i.V.m. § 226 Abs. 1 S. 1 SGB V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Das BVerfG erklärte die Vorlage aufgrund mangelnder Begründungsanforderungen für unzulässig und wies daraufhin, dass die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung verfassungsgemäß ist.

                                                                                   

Die Gründe:

Die Vorlage genügt nicht den Begründungsanforderungen des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG. Das Sozialgericht führt insbesondere selbst aus, dass der Kläger von der behaupteten Ungleichbehandlung einer doppelten Beitragsbelastung nicht betroffen ist, denn die Einzahlungen aus seinem Arbeitsentgelt waren nach einer Privilegierung der Sozialversicherungsentgeltverordnung beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Eine Beitragspflicht entstand lediglich bei der Kapitalauszahlung.

Des Weiteren setzt sich die Vorlage nicht zutreffend mit der BVerfG-Rechtsprechung auseinander. Danach ist die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und auch die Anhebung vom halben auf den vollen allgemeinen Beitragssatz verfassungsgemäß, denn es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nur einen halben Beitragssatz zu zahlen hätten.

Ebenso ist die Typisierung einer Eigenleistung des Arbeitnehmers als Versorgungsbezug unter Weiternutzung des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ansicht des BVerfG verfassungsgemäß.

Das Sozialgericht hat sich nicht mit den daraus ableitbaren Maßstäben auseinander gesetzt und dargelegt, inwiefern und unter welchen Gesichtspunkten das BVerfG von einer Rechtsprechung abweichen sollte. Eine vom Sozialgericht Ungleichbehandlung aus einem Zusammenwirken von Beitragslast, Beitragssatz und Zahlungspflicht ist nicht ersichtlich.

Hintergrund:

Für die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung werden von versicherungspflichtigen Beschäftigten und Rentnern u.a. die mit der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt (Versorgungsbezüge). Davon sind auch Renten der betrieblichen Altersversorgung umfasst. Durch das Gesetz der Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurde 2004 der bis dahin geltende halbe Beitragssatz auf einen vollen allgemeinen Beitragssatz angehoben und neben Renten nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen von der Beitragspflicht erfasst.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des Bundesverfassungsgericht veröffentlichen Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

BVerfG PM Nr. 71/2018 vom 4.9.2018
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