Belgische Regelungen für Einstellung von Hafenarbeitern sind bedingt mit Unionsrecht vereinbar
EuGH v. 11.2.2021, C-407/19 u.a.
Der Sachverhalt:
In der Rechtssache Katoen Natie Bulk Terminals und General Services Antwerp (C-407/19) haben die beiden Gesellschaften dieses Namens, die Hafenarbeiten in Belgien und im Ausland ausführen, beim Raad van State (Staatsrat, Belgien) die Nichtigerklärung des Königlichen Erlasses von 2016 über die Anerkennung von Hafenarbeitern in den Hafengebieten, da sie der Ansicht waren, dass er ihre Freiheit beschränke, für die Arbeit in den belgischen Hafengebieten Hafenarbeiter aus anderen Mitgliedstaaten als Belgien einzustellen.
Nachdem die belgische Polizei einen Verstoß der Verrichtung von Hafenarbeit durch einen nicht anerkannten Hafenarbeiter festgestellt hatte, wurde gegen die betreffende Gesellschaft Middlegate Europe eine Geldbuße verhängt (C-471/19). In einem Verfahren, das bei dem in dieser zweiten Rechtssache vorlegenden Gericht, dem Grondwetteljk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien), anhängig ist, hat die Gesellschaft die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Hafenarbeit beanstandet, da es gegen die Handels- und Gewerbefreiheit der Unternehmen verstoße.
Das Gericht war der Auffassung, dass diese in der belgischen Verfassung verankerte Freiheit in engem Zusammenhang mit mehreren durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten wie dem freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) stehe. Es hat beschlossen, den EuGH zur Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften, die weiterhin eine Sonderregelung für die Einstellung von Hafenarbeitern vorsehen, mit diesen beiden Grundfreiheiten zu befragen.
Der EuGH hält die belgischen Regelungen für Einstellung von Hafenarbeitern für bedingt mit dem Unionsrecht vereinbar.
Die Gründe:
Ein Gesetz, das die Hafenarbeit anerkannten Arbeitern vorbehält, kann mit dem Unionsrecht vereinbar sein, wenn es zum Ziel hat, die Sicherheit in den Hafengebieten und die Verhütung von Arbeitsunfällen zu gewährleisten.
Im vorliegenden Fall kann die fragliche Regelung für sich allein nicht als ungeeignet oder unverhältnismäßig angesehen werden, um das mit ihr verfolgte Ziel, die Sicherheit in den Hafengebieten zu gewährleisten und Arbeitsunfälle zu verhüten, zu erreichen. Infolgedessen ist eine solche Regelung mit den Art.49 und 56 AEUV vereinbar, sofern die in Anwendung der Regelung festgelegten Bedingungen und Modalitäten auf objektiven, diskriminierungsfreien und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die den Hafenarbeitern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die den für inländische Hafenarbeiter geltenden Anforderungen gleichwertig sind, und zum anderen kein begrenztes Kontingent anerkennungsfähiger Arbeiter festlegen.
Die Einschaltung eines paritätischen Verwaltungsausschusses bei der Anerkennung von Hafenarbeitern ist weder erforderlich noch geeignet, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Insofern ist eine solche Maßnahme nicht mit den in den Art.45, 49 und 56 AEUV verankerten Verkehrsfreiheiten vereinbar. Sie kann eine abschreckende Wirkung gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten haben.
Die fragliche Regelung, nach der die Anerkennung, die ein Hafenarbeiter gemäß einer früheren gesetzlichen Regelung erhalten hat, fort gilt, und er in das Kontingent von Hafenarbeitern aufgenommen wird, erscheint nicht als ungeeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen. Die fragliche Regelung, wonach der Transfer eines Hafenarbeiters in das Arbeitnehmerkontingent eines anderen Hafengebiets als desjenigen, in dem er seine Anerkennung erhalten hat, den in einem Tarifvertrag festgelegten Bedingungen und Modalitäten unterliegt, ist mit den in Art.45, 49 und 56 AEUV vorgesehenen Verkehrsfreiheiten vereinbar. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Bedingungen und Modalitäten im Hinblick auf das Ziel, die Sicherheit in jedem Hafengebiet zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind.
Schließlich ist eine Regelung, nach der logistische Arbeitnehmer über eine "Sicherheitsbescheinigung" verfügen müssen, deren Ausstellungsmodalitäten in einem Tarifvertrag vorgesehen sind, nicht mit den in den Art.45, 49 und 56 AEUV verankerten Freiheiten unvereinbar. Voraussetzung ist, dass die Bedingungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung in Bezug auf das Ziel, die Sicherheit in Hafengebieten zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind, und das Verfahren für ihre Einholung keinen unzumutbaren und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordert.
Pressemitteilung des EuGH Nr. 15/2021 v. 11.2.2021
In der Rechtssache Katoen Natie Bulk Terminals und General Services Antwerp (C-407/19) haben die beiden Gesellschaften dieses Namens, die Hafenarbeiten in Belgien und im Ausland ausführen, beim Raad van State (Staatsrat, Belgien) die Nichtigerklärung des Königlichen Erlasses von 2016 über die Anerkennung von Hafenarbeitern in den Hafengebieten, da sie der Ansicht waren, dass er ihre Freiheit beschränke, für die Arbeit in den belgischen Hafengebieten Hafenarbeiter aus anderen Mitgliedstaaten als Belgien einzustellen.
Nachdem die belgische Polizei einen Verstoß der Verrichtung von Hafenarbeit durch einen nicht anerkannten Hafenarbeiter festgestellt hatte, wurde gegen die betreffende Gesellschaft Middlegate Europe eine Geldbuße verhängt (C-471/19). In einem Verfahren, das bei dem in dieser zweiten Rechtssache vorlegenden Gericht, dem Grondwetteljk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien), anhängig ist, hat die Gesellschaft die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Hafenarbeit beanstandet, da es gegen die Handels- und Gewerbefreiheit der Unternehmen verstoße.
Das Gericht war der Auffassung, dass diese in der belgischen Verfassung verankerte Freiheit in engem Zusammenhang mit mehreren durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten wie dem freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) stehe. Es hat beschlossen, den EuGH zur Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften, die weiterhin eine Sonderregelung für die Einstellung von Hafenarbeitern vorsehen, mit diesen beiden Grundfreiheiten zu befragen.
Der EuGH hält die belgischen Regelungen für Einstellung von Hafenarbeitern für bedingt mit dem Unionsrecht vereinbar.
Die Gründe:
Ein Gesetz, das die Hafenarbeit anerkannten Arbeitern vorbehält, kann mit dem Unionsrecht vereinbar sein, wenn es zum Ziel hat, die Sicherheit in den Hafengebieten und die Verhütung von Arbeitsunfällen zu gewährleisten.
Im vorliegenden Fall kann die fragliche Regelung für sich allein nicht als ungeeignet oder unverhältnismäßig angesehen werden, um das mit ihr verfolgte Ziel, die Sicherheit in den Hafengebieten zu gewährleisten und Arbeitsunfälle zu verhüten, zu erreichen. Infolgedessen ist eine solche Regelung mit den Art.49 und 56 AEUV vereinbar, sofern die in Anwendung der Regelung festgelegten Bedingungen und Modalitäten auf objektiven, diskriminierungsfreien und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die den Hafenarbeitern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die den für inländische Hafenarbeiter geltenden Anforderungen gleichwertig sind, und zum anderen kein begrenztes Kontingent anerkennungsfähiger Arbeiter festlegen.
Die Einschaltung eines paritätischen Verwaltungsausschusses bei der Anerkennung von Hafenarbeitern ist weder erforderlich noch geeignet, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Insofern ist eine solche Maßnahme nicht mit den in den Art.45, 49 und 56 AEUV verankerten Verkehrsfreiheiten vereinbar. Sie kann eine abschreckende Wirkung gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten haben.
Die fragliche Regelung, nach der die Anerkennung, die ein Hafenarbeiter gemäß einer früheren gesetzlichen Regelung erhalten hat, fort gilt, und er in das Kontingent von Hafenarbeitern aufgenommen wird, erscheint nicht als ungeeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen. Die fragliche Regelung, wonach der Transfer eines Hafenarbeiters in das Arbeitnehmerkontingent eines anderen Hafengebiets als desjenigen, in dem er seine Anerkennung erhalten hat, den in einem Tarifvertrag festgelegten Bedingungen und Modalitäten unterliegt, ist mit den in Art.45, 49 und 56 AEUV vorgesehenen Verkehrsfreiheiten vereinbar. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Bedingungen und Modalitäten im Hinblick auf das Ziel, die Sicherheit in jedem Hafengebiet zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind.
Schließlich ist eine Regelung, nach der logistische Arbeitnehmer über eine "Sicherheitsbescheinigung" verfügen müssen, deren Ausstellungsmodalitäten in einem Tarifvertrag vorgesehen sind, nicht mit den in den Art.45, 49 und 56 AEUV verankerten Freiheiten unvereinbar. Voraussetzung ist, dass die Bedingungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung in Bezug auf das Ziel, die Sicherheit in Hafengebieten zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind, und das Verfahren für ihre Einholung keinen unzumutbaren und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordert.