Berichtigung bei fehlenden formellen Voraussetzungen für eine Vergleichsfeststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO
Thüringer LAG v. 22.3.2023 - 1 Sa 25/23
Der Sachverhalt:
Das Arbeitsgericht hatte den Parteien am 22.2.2023 auf Anregung der Beklagten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und darauf hingewiesen, dass der Vergleich wirksam werde, wenn er von den Parteien durch Schriftsatz an das Gericht bis zum 10.3.2023 angenommen würde. Die Klägerin teilte am 28.2.2023 mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten. Sie bat um einen feststellenden Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO. Zudem nahm die Klägerin am 1.3.2023 den Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 22.2.2023 an.
Mit Beschluss vom 1.3.2023 stellte das Gericht das Zustandekommen des Vergleichs fest. Auf telefonische Nachfrage der Beklagtenseite wurde am 6.3.2023 darauf hingewiesen, dass die gerichtliche Feststellung nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO erfolgt sei. Mit Antrag vom 9.3.2023 begehrt die Beklagte die Berichtigung des Beschlusses vom 1.3.2023. Fälschlicherweise sei das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt worden. Vorsorglich erklärte sie die Anfechtung des Vergleichs und beantragte hilfsweise die Aufhebung des Beschlusses.
Die Beklagte verwies darauf, mit ihrem Schriftsatz vom 22.2.2023 habe sie ausdrücklich um ein Vorgehen des Gerichts nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO gebeten. Ein Vorgehen nach der 1. Alternative sei ersichtlich nicht gewollt gewesen. Da die Beklagte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag (bislang) nicht angenommen habe, könne auch nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO ein Zustandekommen des Vergleichs nicht festgestellt werden. Die Klägerin beantragte die Zurückweisung des Berichtigungsantrags. Sie führte an, die Parteien hätten sich außergerichtlich geeinigt. In einem solchen Fall stelle das Gericht die erfolgte Einigung fest und mache diese durch Beschluss zu einem Prozessvergleich. Die Annahmeerklärung vom 1.3.2023 sei nur aus Gründen anwaltlicher Vorsicht erfolgt.
Der Antrag der Beklagten vor dem Arbeitsgericht war erfolgreich. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Die Gründe:
Auf Antrag der Beklagten war der Feststellungsbeschluss vom 1.3.2023 gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass ein verfahrensbeendender Vergleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen war.
Besteht Streit über das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs, können die Parteien die Unwirksamkeit des Vergleichs mittels eines Antrags auf Fortsetzung des Rechtsstreits geltend machen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 278 Rn. 35a). Geht es allerdings nicht um die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs oder um eine Anfechtung der zum Vergleich führenden Willenserklärungen, sondern - wie hier - darum, ob die formellen Voraussetzungen für einen Feststellungsbeschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren vorlagen, kommt nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Berichtigung in Anlehnung an die Protokollberichtigung gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO in Betracht.
Der feststellende Beschluss des Gerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO hat letztlich die gleiche Funktion wie das Verhandlungsprotokoll. Stellt der Beschluss in unrichtiger Weise etwas fest, was tatsächlich nicht der Rechtslage entspricht, kann der Beschluss nach § 164 Abs. 1 ZPO - nach Anhörung der Beteiligten - berichtigt werden. Da hier ein Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs am 1.3.2023 nicht festzustellen war, war der Beschluss unrichtig und daher zu berichtigen.
Die Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO lagen tatsächlich nicht vor, da es an einem eigenen Vergleichsvorschlag der Beklagten fehlte. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte die Bitte um Unterbreitung eines gerichtlichen Vorschlags nicht als eigener Vorschlag der Beklagten verstanden werden. Und auch ein Zustandekommen des Vergleichs nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO konnte nicht festgestellt werden. Denn nur die Klägerseite hatte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 22.2.2023 angenommen. Eine Annahme der Beklagten fehlte.
Es kam schließlich auch nicht darauf an, was die Parteien außergerichtlich miteinander vereinbart hatten. Denn nicht die außergerichtliche Einigung der Parteien führt zu einem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, sondern nur entsprechende Erklärungen gegenüber dem Gericht unter Einhaltung der formellen Anforderungen in § 278 Abs. 6 ZPO.
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Das Arbeitsgericht hatte den Parteien am 22.2.2023 auf Anregung der Beklagten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und darauf hingewiesen, dass der Vergleich wirksam werde, wenn er von den Parteien durch Schriftsatz an das Gericht bis zum 10.3.2023 angenommen würde. Die Klägerin teilte am 28.2.2023 mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten. Sie bat um einen feststellenden Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO. Zudem nahm die Klägerin am 1.3.2023 den Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 22.2.2023 an.
Mit Beschluss vom 1.3.2023 stellte das Gericht das Zustandekommen des Vergleichs fest. Auf telefonische Nachfrage der Beklagtenseite wurde am 6.3.2023 darauf hingewiesen, dass die gerichtliche Feststellung nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO erfolgt sei. Mit Antrag vom 9.3.2023 begehrt die Beklagte die Berichtigung des Beschlusses vom 1.3.2023. Fälschlicherweise sei das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt worden. Vorsorglich erklärte sie die Anfechtung des Vergleichs und beantragte hilfsweise die Aufhebung des Beschlusses.
Die Beklagte verwies darauf, mit ihrem Schriftsatz vom 22.2.2023 habe sie ausdrücklich um ein Vorgehen des Gerichts nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO gebeten. Ein Vorgehen nach der 1. Alternative sei ersichtlich nicht gewollt gewesen. Da die Beklagte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag (bislang) nicht angenommen habe, könne auch nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO ein Zustandekommen des Vergleichs nicht festgestellt werden. Die Klägerin beantragte die Zurückweisung des Berichtigungsantrags. Sie führte an, die Parteien hätten sich außergerichtlich geeinigt. In einem solchen Fall stelle das Gericht die erfolgte Einigung fest und mache diese durch Beschluss zu einem Prozessvergleich. Die Annahmeerklärung vom 1.3.2023 sei nur aus Gründen anwaltlicher Vorsicht erfolgt.
Der Antrag der Beklagten vor dem Arbeitsgericht war erfolgreich. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Die Gründe:
Auf Antrag der Beklagten war der Feststellungsbeschluss vom 1.3.2023 gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass ein verfahrensbeendender Vergleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen war.
Besteht Streit über das Zustandekommen eines verfahrensbeendenden Vergleichs, können die Parteien die Unwirksamkeit des Vergleichs mittels eines Antrags auf Fortsetzung des Rechtsstreits geltend machen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 278 Rn. 35a). Geht es allerdings nicht um die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs oder um eine Anfechtung der zum Vergleich führenden Willenserklärungen, sondern - wie hier - darum, ob die formellen Voraussetzungen für einen Feststellungsbeschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren vorlagen, kommt nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Berichtigung in Anlehnung an die Protokollberichtigung gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO in Betracht.
Der feststellende Beschluss des Gerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO hat letztlich die gleiche Funktion wie das Verhandlungsprotokoll. Stellt der Beschluss in unrichtiger Weise etwas fest, was tatsächlich nicht der Rechtslage entspricht, kann der Beschluss nach § 164 Abs. 1 ZPO - nach Anhörung der Beteiligten - berichtigt werden. Da hier ein Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs am 1.3.2023 nicht festzustellen war, war der Beschluss unrichtig und daher zu berichtigen.
Die Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss nach der 1. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO lagen tatsächlich nicht vor, da es an einem eigenen Vergleichsvorschlag der Beklagten fehlte. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte die Bitte um Unterbreitung eines gerichtlichen Vorschlags nicht als eigener Vorschlag der Beklagten verstanden werden. Und auch ein Zustandekommen des Vergleichs nach der 2. Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO konnte nicht festgestellt werden. Denn nur die Klägerseite hatte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 22.2.2023 angenommen. Eine Annahme der Beklagten fehlte.
Es kam schließlich auch nicht darauf an, was die Parteien außergerichtlich miteinander vereinbart hatten. Denn nicht die außergerichtliche Einigung der Parteien führt zu einem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, sondern nur entsprechende Erklärungen gegenüber dem Gericht unter Einhaltung der formellen Anforderungen in § 278 Abs. 6 ZPO.
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