07.09.2021

Betriebsbedingte Kündigung einer Reiseleiterin in der Corona-Pandemie

Die gleichzeitige Einführung von Kurzarbeit im Betrieb für Mitarbeiter mit den gleichen Aufgaben spricht gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Da für einen Reiseleiter und Stadtführer aufgrund der Covid-Pandemie zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 9.4.2020 die Prognose eines dauerhaften Rückgangs des Arbeitsvolumens nicht bestand, war die Kündigung nicht aus dringenden betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

LAG München v. 5.5.2021 - 5 Sa 938/20
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung im April 2020. In dem Unternehmen der Reise- und Tourismusbranche war wegen der Corona-Epidemie bereits Kurzarbeit eingeführt worden, an der die Klägerin aber aus Altersgründen nicht teilnehmen konnte.

Das ArbG hatte die Kündigungsschutzklage der als Stadtführerin und Reiseleiterin angestellten Klägerin abgewiesen. Es sah die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen als gerechtfertigt an. Denn die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung angestellte Prognose habe darauf hingedeutet, dass der Beschäftigungsbedarf für eine Stadtführerin/Reiseleiterin für längere Zeit entfallen werde.

Das LAG sah dies anders und gab der Berufung der Klägerin statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Dringende betriebsbedingte Gründe, die geeignet wären, die Kündigung ggü. der Klägerin sozial zu rechtfertigen, liegen nicht vor, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dauerhafter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bestand. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.

Die Beklagte hat sich vorliegend auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin als Reiseleiter/Stadtführer aufgrund der Corona-Pandemie berufen. Auch in diesem Fall setzt die Berechtigung zu einer betriebsbedingten Kündigung die Prognose voraus, dass die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft wegfällt. Tatsachen, die geeignet wären, eine solche Prognose zu begründen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr spricht die Leistung von Kurzarbeit im Betrieb gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf, da Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld gem. §§ 95, 96 Abs. 1 Nr. 2 SGB III der nur vorübergehende Wegfall der Beschäftigung ist. Nach der im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung geltenden Rechtslage ist ein Wegfall der Beschäftigung dann als nur vorübergehend anzusehen, wenn nach der Prognose ein Zeitraum von 12 Monaten nicht überschritten wird (§§ 96 Abs. 1 Nr. 2, 104 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

Die Verlängerung dieses Zeitraums aus Anlass der COVID-19-Pandemie durch Verordnung über die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld gem. § 109 Abs. 1 SGB III auf zunächst bis zu 21 Monate spielt unabhängig von der Frage der Rückwirkung vom Zeitraum her vorliegend keine Rolle, da der Zeitraum vom Zugang der Kündigung bis zum 31.12.2020 weniger als 12 Monate beträgt. Die weitere Verlängerung auf nunmehr bis zu 24 Monate, längstens bis zum 31.12.21 durch Verordnung vom 12.10.2020 (BGBl I 20, 2165) ist erst zum 1.1.2021 in Kraft getreten und hat schon deshalb keine Auswirkungen auf die Beurteilung der streitgegenständlichen Kündigung und die hierfür zu Grunde zu legende Definition eines vorübergehenden Ausfalls der Beschäftigung.

Vorliegend spricht deshalb die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb der Beklagten dafür, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose bestand, dass der Beschäftigungsbedarf aufgrund der Covid-Pandemie jedenfalls nicht länger als 12 Monate entfällt. Dies dürfte der allgemeinen Einschätzung entsprochen haben, die eher von kürzeren Zeiträumen ausgegangen ist, wie an der jeweiligen kurzen Befristung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen und auch den jeweiligen Verordnungen über die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld ersichtlich ist.
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