Betriebsrat: Gerichtliche Geltendmachung von Schulungskosten vor Rechnungsstellung kann riskant sein
LAG Hessen 7.5.2018, 16 TaBV 64/17Der Beteiligte zu 2 ist der Arbeitgeber. Der Beteiligte zu 1 der bei ihm gebildete Betriebsrat. In der Zeit vom 19.-23.10.2015 nahmen die beiden Betriebsratsmitglieder (Beteiligte zu 3 und 4) an der Schulungsveranstaltung "Öffentlichkeitsarbeit des Betriebsrats - in der Praxis" teil. Der Schulungsveranstalter stellte dafür dem Arbeitgeber eine Rechnung über 4.721,92 €. Nach dem ein Kostenausgleich seitens des Arbeitgebers nicht erfolgte, machten der Betriebsrat und die beiden Betriebsratsmitglieder, die an der Schulung teilgenommen hatten, einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gerichtlich geltend. Das Arbeitsgericht wies den Antrag jedoch zurück, da der Betriebsrat bisher nicht wegen der Schulungskosten in Anspruch genommen wurde (ArbG Darmstadt 21.1.2016, 8 BV 21/15). Der Beschluss wurde rechtskräftig.
Nachdem der Schulungsveranstalter unter dem 13.2.2016 eine Rechnung über die Schulungskosten an den Betriebsrat stellte, machte dieser im Streitfall gegenüber dem Arbeitgeber den Freistellungsanspruch von dieser Rechnung geltend. Das Arbeitsgericht wies den Antrag als unzulässig ab, da ihm der Einwand der Rechtskraft entgegenstehe.
Der Betriebsrat legte dagegen Beschwerde ein. Er ist der Ansicht, dass Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Rechtskrafterstreckung des Verfahrens 8 BV 21/15 ausgegangen. Es läge kein einheitliches Klageziel vor. Zudem seien auch keine identischen Tatsachenkomplexe gegeben. Die Beschwerde hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Antrag des Betriebsrats ist unzulässig, da ihm der Einwand der Rechtskraft entgegensteht. Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist. Die materielle Rechtskraftwirkung der Beschlüsse hindert grundsätzlich, dass bei Identität der Beteiligten und des Sachverhalts die bereits rechtskräftig entschiedene Frage den Gerichten nicht zur erneuten Entscheidung unterbreitet werden kann.
Ob eine neu entstandene Tatsache - wie hier die Rechnungsstellung an den Betriebsrat - in einem 2. Prozess zu einer vom 1. Urteil abweichenden Entscheidung führen kann, richtet sich danach, ob sie geeignet ist, die rechtskräftig festgestellte Rechtslage zu verändern. Dies ist aufgrund des materiellen Rechts zu beurteilen. Ist die Forderungsklage erfolglos geblieben, da der Kläger keine nachvollziehbare Abrechnung vorlegte, ist zu unterscheiden, ob wegen fehlender Abrechnung die Fälligkeit verneint und die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wurde oder ob die Schlüssigkeit der Klage verneint wurde. Ist dies der Fall, kann die Klage nicht nach Erstellung einer neuen Abrechnung wiederholt werden, da die Abweisung endgültig ist. Die neue Abrechnung ändert dann nichts an der rechtskräftig getroffenen Feststellung, dass dem Kläger kein Anspruch gegen den Beklagten zusteht.
Nach der BAG-Rechtsprechung erfordert ein Freistellungsanspruch des Betriebsrats, dass er wegen der Kosten in Anspruch genommen worden ist. Ist dies nicht der Fall, ist der Antrag als unbegründet zurückzuweisen und nicht als derzeit unbegründet. Die Rechnungsstellung gegenüber dem Betriebsrat bewirkt nicht lediglich die Fälligkeit der Forderung, sondern ist anspruchsbegründende Voraussetzung. Da das Fehlen der Inanspruchnahme des Betriebsrats der maßgebliche Abweisungsgrund war und dieser in Rechtskraft erwachsen ist, ist der Betriebsrat gehindert, den Arbeitgeber erneut auf Freistellung von der bereits rechtskräftig abgewiesenen Forderung in Anspruch zu nehmen.
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