Datenschutz bei Livestream-Unterricht
EuGH, C 34/212: Schlussanträge des Generalanwalts vom 2.9.2022
Der Sachverhalt:
Das VG Frankfurt a.M. hat darüber zu entscheiden, ob es bei der Einführung eines Livestream-Unterrichts durch Videokonferenzsysteme - neben der Einwilligung der Eltern für ihre Kinder oder der volljährigen Schüler - auch der Einwilligung der jeweiligen Lehrkraft bedarf oder ob die hier erfolgende Datenverarbeitung durch § 23 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) gedeckt ist.
Das VG hat das anhängige Verfahren ausgesetzt und den EuGH hierzu um Auslegung der DSGVO ersucht, nach deren Art. 88 die Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen "spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext" vorsehen können. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Lehrkräfte in die Übertragung ihres Unterrichts per Videokonferenz einwilligen müssen oder ob die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten, sofern sie nicht einwilligen, durch ein in der DSGVO vorgesehenes berechtigtes Interesse gerechtfertigt sein kann.
Die Gründe:
Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO ist dahin auszulegen, dass eine von einem Mitgliedstaat erlassene Rechtsvorschrift nur dann eine spezifischere Vorschrift zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext darstellt, wenn sie die nach Art. 88 Abs. 2 DSGVO an solche Vorschriften gestellten Anforderungen erfüllt. Erfüllt die Rechtsvorschrift diese Voraussetzungen nicht, so ist sie ggf. nur insoweit anwendbar, als sie durch andere Bestimmungen der DSGVO oder durch die in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung genannten, zur Anpassung erlassenen nationalen Vorschriften gedeckt ist.
§ 23 HDSIG wiederholt lediglich die bereits in Art. 88 Abs. 1 DSGVO enthaltene Ermächtigung bzw. öffnet die Tür für die Schaffung (oder Beibehaltung) weiterer spezifischerer Vorschriften. § 23 HDSIG legt nicht nur per se keine spezifischeren Vorschriften i.S.v. Art. 88 Abs. 1 DSGVO fest, sondern umfasst auch keine geeigneten und besonderen Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person.
Durch das Fehlen solcher Maßnahmen verstößt § 23 HDSIG gegen die in Art. 88 Abs. 2 DSGVO festgelegte Voraussetzung dafür, dass der Erlass differenzierender Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Arbeitsverhältnisse überhaupt zulässig ist. Im Ergebnis ist der Generalanwalt der Meinung, dass § 23 HDSIG nicht auf Art. 88 DSGVO gestützt werden kann, weil er erstens keine spezifischeren Vorschriften enthält und zweitens lediglich die allgemeinen Garantien aus Art. 5 DSGVO wiederholt.
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EuGH online
Das VG Frankfurt a.M. hat darüber zu entscheiden, ob es bei der Einführung eines Livestream-Unterrichts durch Videokonferenzsysteme - neben der Einwilligung der Eltern für ihre Kinder oder der volljährigen Schüler - auch der Einwilligung der jeweiligen Lehrkraft bedarf oder ob die hier erfolgende Datenverarbeitung durch § 23 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) gedeckt ist.
Das VG hat das anhängige Verfahren ausgesetzt und den EuGH hierzu um Auslegung der DSGVO ersucht, nach deren Art. 88 die Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen "spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext" vorsehen können. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Lehrkräfte in die Übertragung ihres Unterrichts per Videokonferenz einwilligen müssen oder ob die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten, sofern sie nicht einwilligen, durch ein in der DSGVO vorgesehenes berechtigtes Interesse gerechtfertigt sein kann.
Die Gründe:
Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO ist dahin auszulegen, dass eine von einem Mitgliedstaat erlassene Rechtsvorschrift nur dann eine spezifischere Vorschrift zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext darstellt, wenn sie die nach Art. 88 Abs. 2 DSGVO an solche Vorschriften gestellten Anforderungen erfüllt. Erfüllt die Rechtsvorschrift diese Voraussetzungen nicht, so ist sie ggf. nur insoweit anwendbar, als sie durch andere Bestimmungen der DSGVO oder durch die in Art. 6 Abs. 2 der Verordnung genannten, zur Anpassung erlassenen nationalen Vorschriften gedeckt ist.
§ 23 HDSIG wiederholt lediglich die bereits in Art. 88 Abs. 1 DSGVO enthaltene Ermächtigung bzw. öffnet die Tür für die Schaffung (oder Beibehaltung) weiterer spezifischerer Vorschriften. § 23 HDSIG legt nicht nur per se keine spezifischeren Vorschriften i.S.v. Art. 88 Abs. 1 DSGVO fest, sondern umfasst auch keine geeigneten und besonderen Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person.
Durch das Fehlen solcher Maßnahmen verstößt § 23 HDSIG gegen die in Art. 88 Abs. 2 DSGVO festgelegte Voraussetzung dafür, dass der Erlass differenzierender Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Arbeitsverhältnisse überhaupt zulässig ist. Im Ergebnis ist der Generalanwalt der Meinung, dass § 23 HDSIG nicht auf Art. 88 DSGVO gestützt werden kann, weil er erstens keine spezifischeren Vorschriften enthält und zweitens lediglich die allgemeinen Garantien aus Art. 5 DSGVO wiederholt.
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