12.03.2012

Diebstahl geringwertiger Sachen kann auch bei langer Betriebszugehörigkeit fristlose Kündigung rechtfertigen

Entwendet der Filialleiter eines Einzelhandelsunternehmens Ware oder besteht der dringende Verdacht einer solchen Tat, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Das gilt selbst dann, wenn die Ware nur einen vergleichsweise geringen Wert hat und der Arbeitnehmer seit vielen Jahren in dem Betrieb beschäftigt ist. Im Rahmen der Interessenabwägung kann zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, dass er die Tat zunächst geleugnet hat.

LAG Berlin-Brandenburg 10.2.2012, 6 Sa 1845/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger war seit knapp 21 Jahren bei dem beklagten Einzelhandelsunternehmen tätig, zuletzt als Filialleiter. An einem Tag nahm er einen Beutel Streusand aus der Filiale mit, ohne ihn zu bezahlen. Zwei Tage später wurde er beim Verlassen der Filiale mit unbezahlten Waren im Wert von 12,02 € angetroffen.

Der Beklagte kündigte dem Kläger, der den Vorwurf zunächst geleugnet hatte, wegen dieser Vorfälle fristlos, ohne ihn zuvor abzumahnen. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam fristlos gekündigt.

Es besteht der dringende Verdacht, dass sich der Kläger in zwei Fällen widerrechtlich im Eigentum des Beklagten stehende Sachen aneignen wollte. Hiermit hat er das während seiner langjährigen Tätigkeit aufgebaute Vertrauen in seine Rechtschaffenheit endgültig zerstört. Es kann dem Beklagten daher nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Zu Lasten des Klägers war dabei u.a. zu berücksichtigen, dass er einen für den Verdacht wesentlichen Umstand zunächst in Abrede gestellt hatte. Dass es sich um Sachen von geringem Wert gehandelt hat, ist ohne Bedeutung.

Der Hintergrund:
Der Fall erinnert in mancherlei Hinsicht an den berühmten "Emmely-" bzw. "Pfandbon"-Fall (BAG, Urt. v. 10.6.2010 - 2 AZR 541/09), zumal das LAG die Vorgaben des BAG zum Vertrauenskapital bei langjähriger Beschäftigung explizit aufgreift. Ein wesentlicher Unterschied zu "Emmely" dürfte aber darin liegen, dass es sich bei der Filialleitung um eine herausgehobene Vertrauensposition handelt. Zudem belief sich der Schaden des Arbeitgebers nicht lediglich auf Cent-Beträge.

Linkhinweis:
Die "Emmely-" bzw. "Pfandbon"- Entscheidung ist auf der Homepage des BAG veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 10 vom 7.3.2012
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