Dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit
LAG Nürnberg v. 16.8.2024, 4 Sa 339/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Juli 1996 beim Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt beträgt 2.876,35 € im Rahmen einer 38,5-Stunden-Woche. Der Kläger ist aufgrund seiner Tätigkeit verpflichtet, spezielle Schutzkleidung zu tragen. Für Schichten, bei denen der Kläger im Rahmen des Dienstplanes auf dem Krankenwagen eingeteilt worden war, wurden im streitgegenständlichen Zeitraum für Tage, an denen der Dienst durch den Kläger tatsächlich absolviert wurde, 7,7 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Für Schichten, bei denen der Kläger im Rahmen des Dienstplanes auf dem Rettungswagen eingeteilt wurde, wurden 8,2 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.
An den Tagen, an denen der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum seinen Dienst aufgrund von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder wegen Urlaubs nicht tatsächlich erbracht hatte, wurden durch lediglich 7,5 bzw. 8,0 Arbeitsstunden gutgeschrieben. Auf dieser Grundlage wurden durch den Beklagten für das Jahr 2017 an 58 Tagen, im Jahr 2018 an 74 Tagen, im Jahr 2019 an 94 Tagen und im Jahr 2020 bis zum 5.6.2020 an 25 Tagen jeweils 12 Minuten zulasten des Klägers auf dessen Arbeitszeitkonto nicht berücksichtigt. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten eine Korrektur seines Arbeitszeitkontos geltend gemacht. Eine solche erfolgte allerdings nicht.
Der Kläger war der Ansicht, die Umkleidezeiten seien entgeltpflichtige Arbeitszeit, die Zeitgutschrift sei damit auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit oder des Urlaubs zu gewähren. § 23 Abs. 2 MTV sei sprachlich unsauber, da das Anlegen der Schutzkleidung zweifelsfrei zur geschuldeten Arbeitsleistung gehöre. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LAG das Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten für den geltend gemachten Zeitraum gem. § 611a Abs. 1 BGB i.V.m. § 11 Abs. 2 UAbs. 3 MTV einen Anspruch auf Gutschrift von insgesamt 10,4 Stunden auf dessen Arbeitszeitkonto für Zeiten gewährten Urlaubs und bestehender Arbeitsunfähigkeit. Im Übrigen ist der geltend gemachte Anspruch infolge der tarifvertraglichen Ausschlussklausel verfallen.
Maßgebend für die Bestimmung des Umfangs der auf dem Arbeitszeitkonto des Beschäftigten zu berücksichtigenden Arbeitszeit bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit ist allein § 11 Abs. 2 UAbs. 3 MTV. Danach ist bei Abwesenheitszeiten, die der Arbeit gleichstehen (z.B. Urlaub, Krankheit), die jeweilig dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit, die auf Grundlage der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden festzulegen ist, gutzuschreiben. Folglich ist festzustellen, dass durch den Beklagten für die streitgegenständlichen Tage grundsätzlich eine Verteilung der Arbeitszeit zu erfolgen hatte, die unter Berücksichtigung des Jahresarbeitszeitkontos (§ 11 Abs. 1 MTV) des Klägers sicherstellte, dass die wöchentliche Arbeitszeit nach § 9 Abs. 1 MTV erreicht wurde. Die von dem Beklagten vorzunehmende (Rahmen-)Dienstplanung hatte daher auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu erfolgen.
Unabhängig davon, ob die (Rahmen-)Dienstplanung des Beklagten für die streitgegenständlichen Tage im Umfang von 7,7 bzw. 8,2 Stunden erfolgte, wurde die maßgebende dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers gerade nicht berücksichtigt - stattdessen wurden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers jeweils nur 7,5 bzw. 8,0 Stunden gutgeschrieben. Der Beklagte war aber auf Grundlage der benannten tariflichen Regelungen und dessen nach Maßgabe von § 10 MTV vorgenommener Verteilung der Arbeitszeit verpflichtet, eine (Rahmen) Dienstplanung für die streitgegenständlichen Schichten von 7,7 bzw. 8,2 Stunden vorzusehen und im Fall von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit auch auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutzuschreiben.
Dieser Bewertung steht § 23 Abs. 2 MTV gerade nicht entgegen. Dort ist ausschließlich geregelt, dass Beschäftigte für das An- und Ablegen der Schutzkleidung pro tatsächlich geleisteter Schicht eine Zeitgutschrift von pauschal 12 Minuten auf deren Arbeitszeitkonto zu erhalten haben. In Umsetzung dieser Regelung, die Umkleidezeiten bei der Bemessung der wöchentlichen und der jährlichen Arbeitszeit nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 MTV gerade unberücksichtigt lässt und diese allein pauschaliert einer vergütungsrechtlichen Bewertung in Form einer Zeitgutschrift zuführt, hat der Beklagte auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers eine Verrechnung der zu erfolgenden Zeitgutschrift von 12 Minuten pro geleisteter Schicht mit der durch den Kläger tatsächlich zu leistenden Arbeitszeit (7,5 statt 7,7 bzw. 8,0 statt 8,2 Stunden) vorgenommen. Dies ändert aber nichts daran, dass die jeweilig dienstplanmäßig vorgesehene bzw. vorzusehende Arbeitszeit i.H.v. 7,7 bzw. 8,2 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers zu berücksichtigen gewesen und auch in den Fällen der Abwesenheit durch Urlaub und Krankheit als maßgebend zu erachten ist.
Da die Entscheidung von dem Urteil des LAG München vom 2.6.2017 - 8 Sa 673/16 zu Lasten des Beklagten abweicht, ist die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG für den Beklagten zugelassen worden.
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Bayern.Recht
Der Kläger ist seit Juli 1996 beim Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt beträgt 2.876,35 € im Rahmen einer 38,5-Stunden-Woche. Der Kläger ist aufgrund seiner Tätigkeit verpflichtet, spezielle Schutzkleidung zu tragen. Für Schichten, bei denen der Kläger im Rahmen des Dienstplanes auf dem Krankenwagen eingeteilt worden war, wurden im streitgegenständlichen Zeitraum für Tage, an denen der Dienst durch den Kläger tatsächlich absolviert wurde, 7,7 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Für Schichten, bei denen der Kläger im Rahmen des Dienstplanes auf dem Rettungswagen eingeteilt wurde, wurden 8,2 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.
An den Tagen, an denen der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum seinen Dienst aufgrund von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder wegen Urlaubs nicht tatsächlich erbracht hatte, wurden durch lediglich 7,5 bzw. 8,0 Arbeitsstunden gutgeschrieben. Auf dieser Grundlage wurden durch den Beklagten für das Jahr 2017 an 58 Tagen, im Jahr 2018 an 74 Tagen, im Jahr 2019 an 94 Tagen und im Jahr 2020 bis zum 5.6.2020 an 25 Tagen jeweils 12 Minuten zulasten des Klägers auf dessen Arbeitszeitkonto nicht berücksichtigt. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten eine Korrektur seines Arbeitszeitkontos geltend gemacht. Eine solche erfolgte allerdings nicht.
Der Kläger war der Ansicht, die Umkleidezeiten seien entgeltpflichtige Arbeitszeit, die Zeitgutschrift sei damit auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit oder des Urlaubs zu gewähren. § 23 Abs. 2 MTV sei sprachlich unsauber, da das Anlegen der Schutzkleidung zweifelsfrei zur geschuldeten Arbeitsleistung gehöre. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LAG das Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum BAG zugelassen.
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Maßgebend für die Bestimmung des Umfangs der auf dem Arbeitszeitkonto des Beschäftigten zu berücksichtigenden Arbeitszeit bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit ist allein § 11 Abs. 2 UAbs. 3 MTV. Danach ist bei Abwesenheitszeiten, die der Arbeit gleichstehen (z.B. Urlaub, Krankheit), die jeweilig dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit, die auf Grundlage der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden festzulegen ist, gutzuschreiben. Folglich ist festzustellen, dass durch den Beklagten für die streitgegenständlichen Tage grundsätzlich eine Verteilung der Arbeitszeit zu erfolgen hatte, die unter Berücksichtigung des Jahresarbeitszeitkontos (§ 11 Abs. 1 MTV) des Klägers sicherstellte, dass die wöchentliche Arbeitszeit nach § 9 Abs. 1 MTV erreicht wurde. Die von dem Beklagten vorzunehmende (Rahmen-)Dienstplanung hatte daher auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu erfolgen.
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Dieser Bewertung steht § 23 Abs. 2 MTV gerade nicht entgegen. Dort ist ausschließlich geregelt, dass Beschäftigte für das An- und Ablegen der Schutzkleidung pro tatsächlich geleisteter Schicht eine Zeitgutschrift von pauschal 12 Minuten auf deren Arbeitszeitkonto zu erhalten haben. In Umsetzung dieser Regelung, die Umkleidezeiten bei der Bemessung der wöchentlichen und der jährlichen Arbeitszeit nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 MTV gerade unberücksichtigt lässt und diese allein pauschaliert einer vergütungsrechtlichen Bewertung in Form einer Zeitgutschrift zuführt, hat der Beklagte auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers eine Verrechnung der zu erfolgenden Zeitgutschrift von 12 Minuten pro geleisteter Schicht mit der durch den Kläger tatsächlich zu leistenden Arbeitszeit (7,5 statt 7,7 bzw. 8,0 statt 8,2 Stunden) vorgenommen. Dies ändert aber nichts daran, dass die jeweilig dienstplanmäßig vorgesehene bzw. vorzusehende Arbeitszeit i.H.v. 7,7 bzw. 8,2 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers zu berücksichtigen gewesen und auch in den Fällen der Abwesenheit durch Urlaub und Krankheit als maßgebend zu erachten ist.
Da die Entscheidung von dem Urteil des LAG München vom 2.6.2017 - 8 Sa 673/16 zu Lasten des Beklagten abweicht, ist die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG für den Beklagten zugelassen worden.
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