19.10.2018

Entgeltgruppenzuordnung gem. § 16 TV-L: Privilegierung der beim selben Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrung zu Lasten Arbeitnehmerfreizügigkeit i.S.d. Art. 45 AEUV?

Es ist fraglich, ob der mit der Privilegierung der bei demselben Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrungszeiten nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-L bezweckte Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer eine gleichzeitige Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit i.S.d. Art.45 AEUV rechtfertigt.

BAG 18.10.2018, 6 AZR 232/17 (A)
Der Sachverhalt:

Die Klägerin war von 1997 bis 2014 in Frankreich ohne Unterbrechungen als Lehrerin tätig. Weniger als sechs Monate nach dem Ende dieser Tätigkeit trat sie als Lehrerin in den Schuldienst des beklagten Landes ein. Dieses zahlte der Klägerin in Anwendung des § 16 Abs. 2 S. 3 TV-L Entgelt nach der Stufe 3 der Entgeltgruppe 11 TV-L ab dem Tag der Einstellung, da die Klägerin über eine in Frankreich erworbene mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügte.

Die Klägerin beanspruchte demgegenüber die vollständige Berücksichtigung ihrer einschlägigen Berufserfahrung und daher Entgelt nach Stufe 5 der Entgelttabelle. Dies lehnte das beklagte Land ab. Es erklärte aber, dass die Berufserfahrungszeiten der Klägerin, wenn sie diese beim beklagten Land zurückgelegt hätte, die begehrte Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-L zur Folge gehabt hätte.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, die Privilegierung der beim selben Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung in § 16 Abs. 2 TV-L verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG und die unmittelbar wirkenden unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeitsbestimmungen. Das Arbeitsgericht gab der Feststellungsklage statt. Das LAG wies die Klage zurück. Der mit der Revision befasste BAG ersucht den EuGH in der Sache zur Beantwortung einer Frage zur Auslegung von Art. 45 Abs. 2 AEUV sowie Art. 7 Abs. 1 der EU-Verordnung Nr. 492/2011 des vom 5.4.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union.

Die Gründe:

Für die Entscheidung ist es von erheblicher Bedeutung, ob die § 16 Abs. 2 TV-L innewohnende Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch den mit der Privilegierung der bei demselben Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrungszeiten nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-L bezweckten Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer gerechtfertigt ist.

Dieser Schutz ist wegen Paragraph 4 Nr. 4 der am 18.3.1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, unionsrechtlich geboten. Für die Klärung der Frage, wie die Kollision zweier auf unterschiedliche Schutzziele gerichtete Normanwendungsbefehle des Unionsrechts aufzulösen ist, ist der EuGH zuständig.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des BAG veröffentlichte Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 52/2018 vom 18.10.2018
Zurück