17.10.2019

Equal-Pay-Grundsatz: Zeitarbeiter haben Anspruch auf vollständige Tarifregelung

Arbeitgeber, die als Verleiher Leiharbeitnehmer an einen Dritten überlassen, können vom Grundsatz der Gleichstellung ("Equal-Pay") nur dann kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF abweichen, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund dieser Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist. Weicht der Arbeitgeber zuungunsten des Beschäftigten davon ab, kann der Leiharbeiter die gleiche Bezahlung wie das Stammpersonal beanspruchen.

BAG v. 16.10.2019 - 4 AZR 66/18
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein Zeitarbeitsunternehmen. Einen Betriebsrat gibt es nicht. Der Kläger war seit dem 11.11.2013 bei der Beklagten, die in der Regel mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt, als Kraftfahrer tätig. Der Arbeitsvertrag enthält eine dynamische Bezugnahmeklausel auf die zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeit. Außerdem gibt es Regelungen, die teilweise von diesen tariflichen Bestimmungen abweichen.

Von April 2014 bis August 2015 war der Kläger als Coil-Carrier-Fahrer bei einem Kunden der Beklagten (Entleiher) eingesetzt. Für diesen Einsatz hatten die Parteien eine Stundenvergütung von 11,25 € brutto vereinbart. Die beim Entleiher als Coil-Carrier-Fahrer tätigen Stammarbeitnehmer erhielten nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie ein deutlich höheres Entgelt. Infolgedessen verlangte der Kläger für den Entleihzeitraum die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und dem Entgelt, das Coil-Carrier-Fahrer beim Entleiher erhielten.

Arbeitsgericht und LAG haben die Klage insoweit abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG aF. Die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleihers zu gewähren sei nach § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG aF aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 11.11.2013 in der Fassung der Änderungsvereinbarungen aus 2014 vereinbarten Anwendbarkeit tarifvertraglicher Regelungen ausgeschlossen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat für den Zeitraum der Überlassung dem Grunde nach einen Anspruch auf "Equal-Pay" i.S.v. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG in der bis zum 31.3.2017 geltenden Fassung.

Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG aF zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung hatten die Parteien nicht getroffen. Diese setzt nämlich insbesondere nach Systematik und Zweck der Bestimmungen des AÜG eine vollständige Anwendung eines für die Arbeitnehmerüberlassung einschlägigen Tarifwerks voraus. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält jedoch Abweichungen von den tariflichen Bestimmungen, die nicht ausschließlich zugunsten des Arbeitnehmers wirken.

Der Senat konnte mangels hinreichender Feststellungen über die Höhe der sich daraus ergebenden Differenzvergütungsansprüche nicht selbst entscheiden. Dies führte zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.

Linkhinweis:
  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
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BAG PM Nr. 33 vom 16.10.2019
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