16.07.2018

EU-Parlament und EIB müssen Schadensersatz wegen Mobbings von Bediensteten zahlen

Der EuGH hat das Europäische Parlament und die EIB dazu verurteilt, jeweils Schadensersatz i.H.v. 10.000 € an Bedienstete zu zahlen, die Opfer von Mobbing geworden waren.

EuGH 13.7.2018, T-275/17 u. T-377/17
Der Sachverhalt:

In dem Streitfall T-275/17 hatte eine Europaabgeordnete im November 2013 beim Europäischen Parlament beantragt, den Vertrag mit ihrer parlamentarischen Assistentin aufzulösen. Als Begründung gab sie u.a. an, dass ihre Assistentin ohne Erlaubnis eine ganze Woche lang nicht zur Arbeit gekommen sei. Als sie ihre Assistentin darauf angesprochen habe, habe diese sie beschimpft und sei anschließend verschwunden. Im Anschluss an die Auflösung des Vertrags im Dezember 2013 stellt die Assistentin einen Antrag auf Beistand, weil sie Opfer von Mobbing seitens der Europaabgeordneten gewesen sei, das in Erniedrigungen, Drohungen, Geringschätzungen, Beschimpfungen und in Anschreien bestanden habe. Das Parlament wies den Antrag ab, da es der Ansicht war, dass sich die Ereignisse im Zusammenhang mit erheblichen Spannungen zwischen den beiden Frauen zugetragen hätten. Die Verwendung eines rauen Umgangstons sei unter stressreichen Arbeitsbedingungen nicht zu vermeiden.

In dem Streitfall T-377/17 war die Dienststelle einer Referentin im Anschluss an die Ankunft eines neuen Direktors der EIB im Dezember 2014 umstrukturiert worden. Zwei Jahre später reichte die Referentin Beschwerde ein und begehrte die Feststellung, dass die Verhaltensweisen des neuen Direktors ihr gegenüber ein Mobbing begründeten. Sie warf dem Direktor vor, sie ohne sachlichen Grund von einer Leitungsfunktion entbunden zu haben. Zudem habe er sie angeschwärzt, sich unangemessen, aggressiv, geringschätzig und anschuldigend geäußert und sie gegenüber anderen Personen benachteiligt.

Die EIB gab der Referentin nur in Bezug auf einige behauptete Tatdachen Recht, dass sie ein Opfer von Mobbing gewesen sein. Sie entschied, dass gegen den neuen Direktor im Fall einer erneuten begründeten Beschwerde ein Disziplinarverfahren eröffnet wird. Zudem wies sie die Referentin darauf hin, dass das Verfahren streng vertraulich bleiben müsse.

Die beiden Beschäftigten legten aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit den beiden Entscheidungen erfolgreich Nichtigkeitsklage beim EuGH ein, um deren Aufhebung zu erwirken und Schadensersatz einzufordern.

Die Gründe:

Die beiden Beschäftigten waren Opfer von Mobbing. Sie haben einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung i.H.v. jeweils 10.000 €.

Der Begriff des Mobbings umfasst ein ungebührliches Verhalten, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, so dass unter Mobbing ein Vorgang zu verstehen ist, der notwendigerweise eine gewisse Zeitspanne umfasst und wiederholte oder andauernde Handlungen voraussetzt, die vorsätzlich sind. Zudem müssen die Handlungen, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen. Das Gericht beschränkt sich dabei nicht auf die Überprüfung, ob ein offensichtlicher Fehler bei der Sachverhaltsbeurteilung vorliegt. Es ist vielmehr seine Aufgabe, im Hinblick auf die genannten Voraussetzungen eine vollständige Sachverhaltsüberprüfung vorzunehmen.

Im Streitfall T-275/17 stellen der Inhalt und insbesondere das niedrige Niveau der Äußerungen der Europaabgeordneten gegenüber ihrer Assistentin eine Herabwürdigung ihrer Person und Arbeit dar. Das Verhalten der Europaabgeordneten ist daher offensichtlich missbräuchlich und nicht als eine einem Mitglied eines Unionsorgans würdige Haltung angesehen werden. Es kann auch nicht mit den Spannungen zwischen den beiden Frauen entschuldigt werden. Das EU-Parlament hat daher bei der Beurteilung des Verhaltens der Europaabgeordneten einen Fehler begangen. Der Assistentin steht somit wegen der langen unangemessenen Dauer bei der Behandlung ihres Antrags auf Beistand Schadensersatz zu. Schadensersatzforderungen gegen den Mobber sind bei einem nationalen Gericht geltend zu machen.

Im Streitfall T-377/17 hat die EIB ebenso einen Rechtfehler bei der Beurteilung des Verhaltens des Direktors im Hinblick auf Mobbing begangen. Die EIB hat nicht geprüft, ob jede dem neuen Direktor zur Last gelegte Verhaltensweise in Verbindung mit den anderen objektiv eine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls der Referentin nach sich ziehen konnte. Darüber hinaus hat die EIB, in dem sie entschieden hat, dass Disziplinarmaßnahmen gegen den Direktor erst bei wiederholtem Verstoß innerhalb von drei Jahren eingeleitet würden, eine aufgrund der Schwere des Falls ungeeignete und unzureichende Maßnahme erlassen. Zudem ist eine Sanktion damit von der Einreichung einer erneuten Beschwerde abhängig. Schließlich durfte die EIB ihre Entscheidung nicht mit einem Maß an Vertraulichkeit verbinden, dass dazu führt, der Referentin zu verbieten, Dritten das Vorliegen der Dokumente zu zeigen. Dies führt dazu, dass das Opfer die Feststellungen nicht etwa für einen Gerichtsprozess verwenden darf. Aufgrund der zu Unrecht auferlegten Schweigepflicht steht der Referentin Schadensersatz zu.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 109/18 vom 13.7.2018
Zurück