EU-Recht steht partiellem Zugang zu Gesundheitsberufen nicht entgegen
EuGH v. 25.2.2021 - C-940/19
Der Sachverhalt:
Mehrere Berufsorganisationen des Gesundheitssektors (u.a. der Verband Les Chirurgiens-Dentistes de France) führen gegen die Ministre des Solidarités et de la Santé (Ministerin für soziale Angelegenheiten und für Gesundheit), die Ministre de l"Enseignement supérieur, de la Recherche et de l"Innovation (Ministerin für Hochschulbildung, Forschung und Innovation) und den Premier ministre (Premierminister, Frankreich) einen Rechtsstreit über Rechtsakte, die bestimmte Aspekte des teilweisen Zugangs zu den Gesundheitsberufen betreffen. Dabei geht es um die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu sämtlichen Gesundheitsberufen einschließlich der Berufe, für die der Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen gilt.
Der französische Conseil d"État (Staatsrat) hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die RL 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen es ausschließt, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu einem der Berufe schafft, für die der in dieser Richtlinie vorgesehene Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen gilt.
Der EuGH hat geurteilt, dass die Richtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einen partiellen Zugang zu einem der Berufe gestatten, die unter den von ihr vorgesehenen Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen fallen.
Die Gründe:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie für die Berufe des Arztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme und des Apothekers, im Zuge der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung ein System der automatischen Anerkennung von Ausbildungsnachweisen vorsieht. Jedoch sind von dem in der Richtlinie vorgesehenen partiellen Zugang die in den Genuss der automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen kommenden Berufsangehörigen ausgeschlossen und nicht die von einer solchen automatischen Anerkennung betroffenen Berufe. Der Unionsgesetzgeber wollte also zwischen der Verwendung der Begriffe "Berufe" und "Berufsangehörige" unterscheiden.
Wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, sollte ein Mitgliedstaat den partiellen Zugang insbesondere bei Gesundheitsberufen, die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit oder die Patientensicherheit haben, verweigern können. Zu den Gesundheitsberufen gehören u.a. Berufe, die von der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen betroffen sind. Dabei handelt es sich um die Berufe des Arztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme und des Apothekers, die in den Genuss der automatischen Anerkennung kommen. Die Möglichkeit, den partiellen Zugang zu diesen Berufen zu verweigern, setzt daher voraus, dass der partielle Zugang zu ihnen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Ein solcher partieller Zugang entspricht zum einen der allgemeinen Zielsetzung, Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen, und zum anderen dem spezifischeren Ziel, dem Berufsangehörigen auf Antrag einen partiellen Zugang zu gewähren, wenn die betreffenden Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat Teil eines Berufs mit einem breiteren Spektrum von Tätigkeiten sind als im Herkunftsmitgliedstaat und die Unterschiede zwischen den Tätigkeitsfeldern so groß sind, dass der Berufsangehörige ein vollständiges Ausbildungsprogramm absolvieren müsste, um seine Lücken zu schließen.
Ohne die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu den genannten Gesundheitsberufen würden viele Angehörige von Gesundheitsberufen, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen eines dieser Berufe zur Ausübung bestimmter, im Aufnahmemitgliedstaat keinem bestehenden Beruf entsprechender Tätigkeiten qualifiziert sind, weiterhin mit Mobilitätshindernissen konfrontiert.
Die Richtlinie impliziert folglich, dass Berufsangehörige, die in den Genuss der automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen kommen, Zugang zu allen Tätigkeiten haben, die im Aufnahmemitgliedstaat von dem entsprechenden Beruf erfasst werden, und dass sie daher nicht vom partiellen Zugang betroffen sind. Sie impliziert dagegen nicht, dass die Berufe nicht vom partiellen Zugang betroffen sind.
Daraus folgt, dass die Richtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einen partiellen Zugang zu einem der Berufe gestatten, die unter den von ihr vorgesehenen Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen fallen.
EuGH PM Nr. 24 vom 25.2.2021
Mehrere Berufsorganisationen des Gesundheitssektors (u.a. der Verband Les Chirurgiens-Dentistes de France) führen gegen die Ministre des Solidarités et de la Santé (Ministerin für soziale Angelegenheiten und für Gesundheit), die Ministre de l"Enseignement supérieur, de la Recherche et de l"Innovation (Ministerin für Hochschulbildung, Forschung und Innovation) und den Premier ministre (Premierminister, Frankreich) einen Rechtsstreit über Rechtsakte, die bestimmte Aspekte des teilweisen Zugangs zu den Gesundheitsberufen betreffen. Dabei geht es um die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu sämtlichen Gesundheitsberufen einschließlich der Berufe, für die der Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen gilt.
Der französische Conseil d"État (Staatsrat) hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die RL 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen es ausschließt, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu einem der Berufe schafft, für die der in dieser Richtlinie vorgesehene Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen gilt.
Der EuGH hat geurteilt, dass die Richtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einen partiellen Zugang zu einem der Berufe gestatten, die unter den von ihr vorgesehenen Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen fallen.
Die Gründe:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie für die Berufe des Arztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme und des Apothekers, im Zuge der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung ein System der automatischen Anerkennung von Ausbildungsnachweisen vorsieht. Jedoch sind von dem in der Richtlinie vorgesehenen partiellen Zugang die in den Genuss der automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen kommenden Berufsangehörigen ausgeschlossen und nicht die von einer solchen automatischen Anerkennung betroffenen Berufe. Der Unionsgesetzgeber wollte also zwischen der Verwendung der Begriffe "Berufe" und "Berufsangehörige" unterscheiden.
Wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, sollte ein Mitgliedstaat den partiellen Zugang insbesondere bei Gesundheitsberufen, die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit oder die Patientensicherheit haben, verweigern können. Zu den Gesundheitsberufen gehören u.a. Berufe, die von der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen betroffen sind. Dabei handelt es sich um die Berufe des Arztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme und des Apothekers, die in den Genuss der automatischen Anerkennung kommen. Die Möglichkeit, den partiellen Zugang zu diesen Berufen zu verweigern, setzt daher voraus, dass der partielle Zugang zu ihnen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Ein solcher partieller Zugang entspricht zum einen der allgemeinen Zielsetzung, Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen, und zum anderen dem spezifischeren Ziel, dem Berufsangehörigen auf Antrag einen partiellen Zugang zu gewähren, wenn die betreffenden Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat Teil eines Berufs mit einem breiteren Spektrum von Tätigkeiten sind als im Herkunftsmitgliedstaat und die Unterschiede zwischen den Tätigkeitsfeldern so groß sind, dass der Berufsangehörige ein vollständiges Ausbildungsprogramm absolvieren müsste, um seine Lücken zu schließen.
Ohne die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu den genannten Gesundheitsberufen würden viele Angehörige von Gesundheitsberufen, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen eines dieser Berufe zur Ausübung bestimmter, im Aufnahmemitgliedstaat keinem bestehenden Beruf entsprechender Tätigkeiten qualifiziert sind, weiterhin mit Mobilitätshindernissen konfrontiert.
Die Richtlinie impliziert folglich, dass Berufsangehörige, die in den Genuss der automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen kommen, Zugang zu allen Tätigkeiten haben, die im Aufnahmemitgliedstaat von dem entsprechenden Beruf erfasst werden, und dass sie daher nicht vom partiellen Zugang betroffen sind. Sie impliziert dagegen nicht, dass die Berufe nicht vom partiellen Zugang betroffen sind.
Daraus folgt, dass die Richtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einen partiellen Zugang zu einem der Berufe gestatten, die unter den von ihr vorgesehenen Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen fallen.