EuGH-Vorlage zur Wirksamkeit eines Kopftuchverbots
BAG v. 30.1.2019 - 10 AZR 299/18 (A)Die Beklagte ist ein Unternehmen des Einzelhandels. Die Klägerin ist dort als Verkaufsberaterin und Kassiererin beschäftigt. Anders als zuvor trug die Klägerin, die muslimischen Glaubens ist, nach der Rückkehr aus der Elternzeit ein Kopftuch. Sie erfüllt damit ein islamisches Bedeckungsgebot, das sie als zwingend empfindet. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, das Kopftuch am Arbeitsplatz abzulegen. Dem kam die Klägerin nicht nach.
Die Beklagte stützt sich zuletzt auf eine Kleiderordnung, die für alle ihre Verkaufsfilialen gilt. Danach ist das Tragen auffälliger großflächiger religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Zeichen am Arbeitsplatz verboten. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die darauf beruhende Weisung der Beklagten unwirksam ist. Sie ist der Auffassung, sie werde durch die Weisung der Beklagten wegen ihrer Religion diskriminiert. Die Beklagte beruft sich auf ihre unternehmerische Freiheit und den Schutz der negativen Religionsfreiheit ihrer Kunden und Arbeitnehmer.
ArbG und LAG gaben der Klage statt. Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten. Das BAG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG und dem Verhältnis von primärem Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht zur Vorabentscheidung vor.
Die Gründe:
Der EuGH wird um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:
1. Kann eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens nur dann angemessen sein, wenn nach dieser Regel das Tragen jeglicher sichtbarer und nicht nur das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verboten ist?
2. Sofern die Frage zu 1. verneint wird:
a) Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass die Rechte aus Art. 10 GRC und Art. 9 EMRK in der Prüfung berücksichtigt werden dürfen, ob eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens angemessen ist, die das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbietet?
b) Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass nationale Regelungen von Verfassungsrang, die die Religionsfreiheit schützen, als günstigere Vorschriften i.S.v. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in der Prüfung berücksichtigt werden dürfen, ob eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens angemessen ist, die das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbietet?
3. Sofern die Fragen zu 2a) und 2b) verneint werden:
Müssen nationale Regelungen von Verfassungsrang, die die Religionsfreiheit schützen, in der Prüfung einer Weisung aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens, die das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbietet, wegen primären Unionsrechts unangewendet bleiben, auch wenn primäres Unionsrecht, wie zum Beispiel Art. 16 GRC, einzelstaatliche Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkennt?
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
- Um zur Pressemitteilung des BAG zu kommen, klicken Sie bitte hier.