Fristlose Kündigungen: Trotz "Emmely" kann weiterhin das Nach-Tat-Verhalten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden
LAG Berlin-Brandenburg 1.12.2011, 2 Sa 2015/11 u.a.Der Kläger war seit 1997 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Er hatte im Juli 2010 eine Abmahnung erhalten, weil er im Bereich einer Tankstelle eine Pause eingelegt hatte, ohne diese zu dokumentieren.
Anfang April warf der Fuhrparkleiter der Beklagten dem Kläger wiederum einen unberechtigten Aufenthalt an einer Tankstelle vor. Nur zwei Tage später legte der Kläger erwiesenermaßen an einer Tankstelle eine Pause ein - und zwar für einen Zeitraum zwischen 30 Minuten und einer Stunde (die Einzelheiten sind streitig). In seiner Arbeitszeit-Aufzeichnung ließ er diese Pause unerwähnt. Hierauf angesprochen, leugnete er zunächst den Aufenthalt an der Tankstelle. Erst nachdem er mit der Aussage eines Zeugen konfrontiert wurde, räumte er ein, wegen Magenproblemen die Tankstellentoilette aufgesucht zu haben. Er habe sich geschämt, dies zu offenbaren.
Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen Arbeitszeitbetrugs fristlos. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Arbeitsgericht statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam fristlos gekündigt. Ein Arbeitszeitbetrug ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Arbeitgeber müssen sich auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer verlassen können. Werden Arbeitszeit-Formulare - wie hier - vorsätzlich falsch ausgefüllt, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.
Im Rahmen der bei einer fristlosen Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung fällt hier zulasten des Klägers insbesondere ins Gewicht, dass er die Pflichtverletzung zunächst geleugnet und erst auf Vorhalt einer Zeugenaussage eingeräumt hat. Nach der langjährigen Rechtsprechung des 2. Senats des BAG (z.B. BAG v. 24.11.2005 - 2 AZR 39/05) kann ein solches Verhalten des Arbeitnehmers nach Begehung einer Pflichtwidrigkeit, aber vor Ausspruch der Kündigung ("Nach-Tat-Verhalten") in die Interessenabwägung einbezogen werden und sich ggf. zulasten des Arbeitnehmers auswirken.
Der Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens des Klägers steht die "Emmely"- Entscheidung des BAG (Urt. v. 10.6.2010 - 2 AZR 541/09) nicht entgegen. Zwar hatte der Zweite Senat hier den Umstand, dass die dortige Klägerin in den Gesprächen mit dem Arbeitgeber mehrfach und beharrlich gelogen hatte, nicht in die Interessenabwägung einbezogen und nur festgestellt, dass das Prozessvorbringen der Klägerin nicht auf den Kündigungsgrund zurückwirken könne. Darum geht es hier aber nicht, da das in Rede stehende Verhalten sich vor Ausspruch der Kündigung abgespielt hat; es hat also mit "prozessualem Verteidigungsvorbringen" gar nichts zu tun.
Hinweis:
Der Kläger hat inzwischen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 8 AZN 240/12.
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