17.08.2017

Fristlose Verdachtskündigung setzt auch im Bankensektor einen dringenden Tatverdacht voraus

Für eine wirksame Verdachtskündigung (hier: einer Sparkassenangestellten) müssen anders als bei einem erwiesenem Fehlverhalten des Arbeitnehmers enge Voraussetzungen zum Schutz des Arbeitnehmers erfüllt sein, damit die Kündigung gerechtfertigt ist. Es muss insbesondere eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass der Betroffene das fragliche Fehlverhalten wirklich unternommen hat (dringender tatverdacht). Außerdem muss eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu den Vorwürfen im Vorfeld der Kündigung stattgefunden haben.

LAG Hamm 14.8.2017, 17 Sa 1540/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit 1991 bei der beklagten Sparkasse als Sparkassenangestellte beschäftigt. Am 28.5.2015 hatte die Klägerin, die an diesem Tag als Kassiererin eingesetzt wurde, gegen 9.40 Uhr von einem Geldtransportdienst einen verplombten Geldkoffer entgegen genommen. In dem Koffer sollte sich eine Geldsumme i.H.v. 115.000 Euro in 50-Euro-Scheinen befinden. Das Bargeld hatte die Klägerin einen Tag zuvor selbst bestellt. Nachdem der Koffer ca. 20 Minuten im nur teilweise einsehbaren Kassenbereich, in dem sich die Klägerin zu der Zeit allein befand, stand, öffnete die Klägerin den Koffer alleine. Sie verletzte dabei, das bei der Sparkasse geltende Vier-Augen-Prinzip. Nach dem Öffnen des Koffers holte sie einen Kollegen dazu, der im Koffer lediglich eine Packung Wachpulver sowie Babynahrung, aber kein Bargeld vorfand. Die Klägerin behauptete, sie habe den Koffer bei der erstmaligen Öffnung der Plombe mit diesem Inhalt ebenfalls vorgefunden.

Die Beklagte kündigte der Klägerin nach eigenen erfolglosen Aufklärungsbemühungen sowie Ermittlungen der Staatsanwaltschaft fristlos wegen des dringenden Verdachts einer Straftat. Es gäbe zahlreiche Indizien, insbesondere auffällige finanzielle Transkationen und für die Bestellung des hohen Geldbetrags habe kein Grund bestanden.

Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Der Kündigungsschutzklage wird stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Das zwischen beiden Parteien geschlossene Arbeitsverhältnis besteht weiterhin fort.

Im Unterschied zur Kündigung wegen einer erwiesenen Pflichtverletzung ist eine Kündigung allein wegen eines bestehenden Verdachts (Verdachtskündigung) zum Schutze des Arbeitnehmers lediglich unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt. Es muss insbesondere eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass der Betroffene das fragliche Fehlverhalten wirklich unternommen hat (Dringlichkeit des Verdachts). Im vorliegenden Fall ist es jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass eine andere Person als die Klägerin der Täter ist.

Zudem muss als weitere Voraussetzung einer Verdachtskündigung im Vorfeld der Kündigung i.d.R. eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers stattgefunden haben. Der Arbeitgeber ist im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen dazu verpflichtet, diese durchzuführen und dem Arbeitnehmer die konkret verdachtsbegründenden Tatsachen mitzuteilen. Eine diesen Anforderungen entsprechende Anhörung hat im Streitfall jedoch nicht stattgefunden.

Justiz NRW PM vom 16.8.2017
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