Generelle Altersgrenze für Sachverständige verstößt gegen das AGG
BVerwG 1.2.2012, 8 C 24.11Der Kläger ist inzwischen 75 Jahre alt. Die beklagte IHK hatte ihn bis zum Erreichen der in ihrer Sachverständigenordnung (SVO) vorgesehenen Höchstaltersgrenze von 68 Jahren zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Sachgebiete "EDV im Rechnungswesen und Datenschutz" sowie "EDV in der Hotellerie" bestellt. Diese Bestellung war nach der SVO einmal bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres verlängert worden.
Den Antrag des Klägers auf eine weitere Verlängerung der Bestellung lehnte die Beklagte ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb zunächst in allen Instanzen erfolglos. Nach Aufhebung des Urteils des BVerwG durch das BVerfG gab das BVerwG der Klage allerdings statt.
Die Gründe:
Die generelle Altersgrenze in der Sachverständigenverordnung der Beklagten stellt eine nach dem AGG unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar und ist deshalb unwirksam.
Die generelle Schlechterstellung älterer Sachverständiger ist nicht durch ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 AGG gerechtfertigt. Legitime Ziele sind nach der Rechtsprechung des EuGH nur sozialpolitische Ziele, insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. Einem solchen Ziel dient die streitige Altersgrenze nicht; sie soll vielmehr lediglich einen geordneten Rechtsverkehr sicherstellen.
Das Lebensalter eines Sachverständigen steht auch nicht i.S.v. § 8 Abs. 1 AGG in einem inneren Zusammenhang mit einer besonderen Anforderung an die Art der beruflichen Betätigung. Das gilt insbesondere auch im Streitfall, da die Sachverständigentätigkeit des Klägers keine besonderen Anforderungen stellt, die - bei entsprechender Vorbildung und Erfahrung - nur Jüngere erfüllen könnten.
Die Altersgrenze wird im Streitfall auch nicht durch den in Art. 2 Abs. 5 der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG enthaltenen Sicherheitsvorbehalt legitimiert. Die Sachverständigentätigkeit des Klägers betrifft keine Belange der öffentlichen Sicherheit und dient weder der Verhütung von Straftaten noch dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.