Gewerkschaften können bei tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen nur Unterlassung und keinen Schadensersatz verlangen
BAG 17.5.2011, 1 AZR 473/09Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (R.) war als Mitglied in einem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie tarifgebunden und wandte in ihrem Betrieb die zwischen diesem und der IG Metall geschlossenen Tarifverträge an. Danach betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden. Anfang 2006 schloss R. mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, mit der die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden erhöht wurde. Zum Ausgleich hierfür sollten die Arbeitnehmer einen leistungs- und erfolgsabhängigen Bonus erhalten.
Im August 2008 wurde die Betriebsvereinbarung aufgehoben und R. auf die nicht tarifgebundene Beklagte verschmolzen.
Mit ihrer Klage verlangt die IG Metall von der Beklagten, die von R. verursachte Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit dadurch zu beseitigen, dass sie den Arbeitnehmern individuell anbietet, die über die tarifliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit abzugelten. Zur Begründung machte sie geltend, dass R. durch den Abschluss der tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen gegen §§ 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz, 77 Abs. 3 BetrVG und Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen habe. Deshalb habe sie einen Beseitigungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG.
Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Gewerkschaft steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
Zwar liegt ein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte kollektive Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft vor, da Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein dürfen. Die Gewerkschaft kann daher in einem solchen Fall von einem tarifgebundenen Arbeitgeber verlangen, die Anwendung der gegen den Tarifvertrag verstoßenden Betriebsvereinbarung zu unterlassen.
Der Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigungsfreiheit liegt aber nicht in der Vorenthaltung tariflicher Leistungen, sondern im Abschluss der tarifwidrigen Betriebsvereinbarung. Mit deren Aufhebung endet deshalb die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit. Für den davorliegenden Zeitraum kann die Gewerkschaft nicht den Ausgleich der den Arbeitnehmern entstandenen Entgeltnachteile als Schadensersatz verlangen.
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