Gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch im tarifpluralen Betrieb
BAG v. 25.1.2023 - 4 ABR 4/22
Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Dieser vereinbarte mit der antragstellenden und einer weiteren Gewerkschaft Tarifverträge, die u.a. Regelungen zur Dienst- und Schichtplanung mit unterschiedlich ausgestalteten Tariföffnungsklauseln vorsahen. Die Tarifvertragsparteien hatten eine Anwendung des § 4a Abs. 2 TVG bis zum 31.12.2020 abbedungen.
Im Jahr 2019 schloss die Arbeitgeberin mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Schicht- und Einsatzplanung. Die antragstellende Gewerkschaft nahm die Arbeitgeberin auf Unterlassung der Durchführung dieser Betriebsvereinbarung in Anspruch. Die Betriebsvereinbarung verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG und verletze ihre Koalitionsfreiheit.
ArbG und LAG wiesen die Anträge ab. Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens vereinbarte die antragstellende Gewerkschaft mit der Arbeitgeberin im Februar 2022 Nachfolgetarifverträge. Die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft hatte vor dem BAG letztlich keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Tarifverträge, auf welche die Gewerkschaft ihren Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG gestützt hat, gelten aufgrund ihrer Ablösung durch die Nachfolgetarifverträge nicht mehr unmittelbar und zwingend. Die Gewerkschaft konnte den Unterlassungsanspruch auch nicht auf § 23 Abs. 3 i.V.m. § 77 Abs. 3 BetrVG stützen. Nicht entschieden werden musste vorliegend, ob ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG begründen kann. Die Betriebsvereinbarung verstößt zwar gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die Schicht- und Einsatzplanung bereits im Tarifvertrag der antragstellenden Gewerkschaft geregelt war. In Anbetracht der schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die sich im Fall der Anwendbarkeit kollidierender Tarifverträge mit unterschiedlichen Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen stellen, hat das LAG aber einen groben Verstoß in nicht zu beanstandender Weise verneint. Auf die von der Gewerkschaft angeführte Verfassungswidrigkeit des § 4a TVG kam es für die Entscheidung nicht an.
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BAG PM Nr. 4 vom 25.1.2023
Die Arbeitgeberin betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Dieser vereinbarte mit der antragstellenden und einer weiteren Gewerkschaft Tarifverträge, die u.a. Regelungen zur Dienst- und Schichtplanung mit unterschiedlich ausgestalteten Tariföffnungsklauseln vorsahen. Die Tarifvertragsparteien hatten eine Anwendung des § 4a Abs. 2 TVG bis zum 31.12.2020 abbedungen.
Im Jahr 2019 schloss die Arbeitgeberin mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Schicht- und Einsatzplanung. Die antragstellende Gewerkschaft nahm die Arbeitgeberin auf Unterlassung der Durchführung dieser Betriebsvereinbarung in Anspruch. Die Betriebsvereinbarung verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG und verletze ihre Koalitionsfreiheit.
ArbG und LAG wiesen die Anträge ab. Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens vereinbarte die antragstellende Gewerkschaft mit der Arbeitgeberin im Februar 2022 Nachfolgetarifverträge. Die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft hatte vor dem BAG letztlich keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Tarifverträge, auf welche die Gewerkschaft ihren Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG gestützt hat, gelten aufgrund ihrer Ablösung durch die Nachfolgetarifverträge nicht mehr unmittelbar und zwingend. Die Gewerkschaft konnte den Unterlassungsanspruch auch nicht auf § 23 Abs. 3 i.V.m. § 77 Abs. 3 BetrVG stützen. Nicht entschieden werden musste vorliegend, ob ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG begründen kann. Die Betriebsvereinbarung verstößt zwar gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die Schicht- und Einsatzplanung bereits im Tarifvertrag der antragstellenden Gewerkschaft geregelt war. In Anbetracht der schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die sich im Fall der Anwendbarkeit kollidierender Tarifverträge mit unterschiedlichen Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen stellen, hat das LAG aber einen groben Verstoß in nicht zu beanstandender Weise verneint. Auf die von der Gewerkschaft angeführte Verfassungswidrigkeit des § 4a TVG kam es für die Entscheidung nicht an.
Aufsatz:
Basiswissen Warnstreik
Christian Moderegger, ArbRB 2023, 25
Aufsatz:
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Marie Herberger, ZFA 2022, 560
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