10.09.2014

Hartz-IV-Leistungen sind derzeit verfassungsgemäß

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind derzeit noch verfassungsgemäß. Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, werden im Ergebnis nicht verfehlt. Die vom Gesetzgeber festgelegte Höhe der existenzsichernden Leistungen ist auch tragfähig begründet.

BVerfG 9.9.2014, 1 BvL 10/12 u.a.
Der Sachverhalt:
Dem Bundesverfassungsgericht lagen zwei Normenkontrollklagen (Az.: 1 BvL 10/12 u. 1 BvL 12/12) sowie eine Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1691/13) über die Regelbedarfsleistungen für Alleinstehende, für zusammenlebende Volljährige, für Kinder bis zu sechs Jahren sowie für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren zur Prüfung vor.

Es entschied, dass die Regelbedarfsleistungen derzeit noch verfassungsgemäß sind. Soweit die tatsächliche Deckung existenzieller Bedarfe in Einzelpunkten zweifelhaft ist, muss der Gesetzgeber aber eine tragfähige Bemessung der Regelbedarfe bei ihrer anstehenden Neuermittlung auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 sicherstellen.

Die Gründe:
Die sozialrechtlichen Regelbedarfsleistungen verletzen zumindest aktuell nicht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG.

Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung der physischen Existenz und eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Zudem muss das Ergebnis der diesbezüglichen Einschätzungen des Gesetzgebers tragfähig begründet sein. Diese Anforderungen sind derzeit erfüllt.

Die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf lässt nicht erkennen, dass der existenzsichernde Bedarf evident nicht gedeckt wäre. Der Gesetzgeber berücksichtigt zudem nun für Kinder und Jugendliche auch Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.

Mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) stützt sich der Gesetzgeber auch auf geeignete empirische Daten. Die Entscheidung, bei der EVS 2008 nur noch die einkommensschwächsten 15 % der Haushalte als Bezugsgröße heranzuziehen (statt wie bei der EVS 2003 die unteren 20 %), ist sachlich vertretbar. Der Gesetzgeber ist zudem von Verfassungs wegen grds. nicht gehindert, aus der Verbrauchsstatistik nachträglich einzelne Positionen - in Orientierung an einem Warenkorbmodell - wieder herauszunehmen.

Eine Unterdeckung beim Bedarf an langlebigen Gütern (wie Kühlschrank oder Waschmaschine), für die derzeit nur ein geringer monatlicher Betrag eingestellt wird, muss allerdings durch die Sozialgerichte verhindert werden, indem sie die bestehenden Regelungen über einmalige Zuschüsse neben dem Regelbedarf verfassungskonform auslegen. Fehlt diese Möglichkeit, muss der Gesetzgeber einen existenzsichernden Anspruch schaffen.

Linkhinweis:
Für die auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichte Entscheidung im Volltext klicken Sie bitte hier.

BVerfG PM Nr. 76/2014 vom 9.9.2014
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