Informationspflicht des Arbeitgebers über Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern
LAG Hamm 24.7.2019, 5 Sa 676/19Die Parteien streiten über das Bestehen eines Urlaubsanspruchs der Klägerin aus dem Jahr 2017. Die Klägerin ist laut Dienstvertrags bei der Beklagten in einem Hospital beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt aktuell rd. 1.650 €. Im Jahr 2017 erkrankte die Klägerin und konnte von dem ihr zustehenden Urlaubsanspruch im Jahr 2017 14 Tage nicht nehmen. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2017 durchgehend erkrankt. Im November 2018 forderte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben die Beklagte zur Abgeltung des Urlaubs für das Jahr 2017 auf. Die Beklagte wies den Anspruch zurück.
Mit ihrer Klageschrift begehrte die Klägerin zunächst die Abgeltung von 14 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017. Später hat sie hilfsweise zum Zahlungsantrag einen Feststellungsantrag geltend gemacht. Im Kammertermin hat die Klägerin schließlich nur noch den Feststellungsantrag gestellt. Die Klägerin ist der Ansicht, der restliche Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei nicht verfallen. Sie verweist auf die Entscheidung des BAG vom 19.2.2019 (9 AZR 541/15). Ihr restlicher Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei schon deshalb nicht verfallen, da die Beklagte es unterlassen habe, die Klägerin rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen.
Das ArbG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.
Die Gründe:
Das LAG folgt den sorgfältigen, ausführlichen und rechtlich zutreffenden Ausführungen des ArbG zum Erlöschen der Urlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2017 sowie der fehlenden Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin auf einen möglichen Verfall hinzuweisen, vollständig.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, durch eine Rechtsprechung wie der des ArbG würden arbeitsunfähige Arbeitnehmer schlechter gestellt als arbeitsfähige, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Die Klägerin verkennt, dass es sich bei einer Arbeitnehmerin, die längerfristig arbeitsunfähig erkrankt ist und einer solchen, die arbeitsfähig ist, um zwei in Bezug auf die Urlaubserteilung nicht vergleichbare Personen handelt, so dass eine unterschiedliche Behandlung noch keine Ungleichbehandlung oder Schlechterstellung darstellt, sondern vielmehr eine an den unterschiedlichen Lebenssachverhalten ausgerichtete Behandlung.
Das ArbG hat zu Recht ausgeführt, dass es dem Arbeitgeber wegen der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin nicht möglich sei, dafür zu sorgen, dass sie tatsächlich in der Lage ist, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, da die arbeitsunfähige Arbeitnehmerin diesen auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Jahresurlaub zu nehmen, wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht antreten könne. Hiermit setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Eine Belehrung als Obliegenheit des Arbeitgebers ergibt nur dann Sinn, wenn die Arbeitnehmerin in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Dies ist im Falle einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall.
Die Beklagte konnte die vom BAG im Fall des Bestehens von Urlaubsansprüchen bei einer arbeitsfähigen Arbeitnehmerin verlangte Belehrung auch nicht erteilen, da diese dann unzutreffend gewesen wäre. Die Belehrung dahingehend, dass bestehende Urlaubsansprüche erlöschen, wenn diese nicht bis zum 31.12. des Kalenderjahres beansprucht werden, wäre im Fall einer langzeiterkrankten Arbeitnehmerin schlicht falsch, da diese im Fall der Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres erlöschen, aus dem sie resultieren. Die Frage eines früheren Erlöschens hätte sich erst wieder nach Genesung der Klägerin gestellt und anschließend eine Belehrung der Beklagten erfordert. Hierzu ist es aber bisher nicht gekommen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wären i.Ü. auch bei einer Belehrung durch die Beklagte erloschen. Die fehlende Belehrung des Arbeitgebers zeitigt nach BAG-Rechtsprechung lediglich die Folge, dass bestehende Anspruche auf das Folgejahr bis zum 31.3. übertragen werden und im Fall, dass eine weitere Belehrung des Verfalls bis 31.3. bei Nichtinanspruchnahme unterbleibt, auf das gesamte Folgejahr. Nicht anders sind die Folgen des wegen Arbeitsunfähigkeit nicht angetretenen Urlaubes. Dieser wird auf das Folgejahr übertragen. Gleichwohl erlischt dieser, wenn er wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten werden kann. Der EuGH hat hierzu herausgestellt, dass der Zeitpunkt der Urlaubinanspruchnahme noch in einem Zeitraum geschehen soll, der einen zeitlichen Bezug zum Kalenderjahr des Entstehens aufweist. Nach Ablauf dieses Zeitraumes, der mit 15 Monaten nach Ende des Kalenderjahres des Entstehens festgelegt ist, erlischt der Urlaubsanspruch in jedem Fall.
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