Insolvenzverwalter können noch nicht unverfallbare Anwartschaft auf Direktversicherung widerrufen
BAG 18.9.2012, 3 AZR 176/10Die Arbeitgeberin des Klägers sagte diesem im August 1999 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu. Dazu schloss sie eine Direktversicherung ab und räumte dem Kläger ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht ein. Nachdem über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, widerrief der beklagte Insolvenzverwalter im Jahr 2005 gegenüber der Versicherungsgesellschaft das Bezugsrecht.
Der Kläger hielt den Widerruf des Bezugsrechts für unwirksam. Er nahm den Beklagten daher auf Übertragung der Versicherung in Anspruch. Hilfsweise machte er Schadensersatz in Form der Erstattung der an die Versicherung gezahlten Beiträge, zumindest aber in Form einer Zahlung des Rückkaufswerts der Versicherung geltend. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Übertragung der Versicherung noch kann er Schadensersatz verlangen.
Hat ein Arbeitgeber - wie hier die Insolvenzschuldnerin - zum Zweck der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung abgeschlossen und dem Arbeitnehmer ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, steht dem Arbeitnehmer in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO an der Versicherung zu, wenn der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht wirksam widerrufen hat.
Die Zulässigkeit des Widerrufs richtet sich allein nach der versicherungsrechtlichen Rechtslage im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung und nicht nach den Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien. Verstößt der Insolvenzverwalter mit dem Widerruf des Bezugsrechts allerdings gegen eine arbeitsvertragliche Verpflichtung, so kann dies grds. einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen. Dieser ist jedoch weder auf Erstattung der Beiträge zur Direktversicherung noch auf Zahlung des Rückkaufswerts gerichtet, sondern auf Ausgleich des Versorgungsschadens.
Nach diesen Grundsätzen war die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat das Bezugsrecht wirksam widerrufen, da für die Zusage gem. § 1b i.V.m. § 30f Abs. 1 BetrAVG eine Unverfallbarkeitsfrist von zehn Jahren galt und diese Frist im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen war.
Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger im Wege des Schadensersatzes die Beiträge für die Direktversicherung oder den Rückkaufswert der Versicherung zu erstatten. In Betracht käme allenfalls ein Anspruch auf Ersatz des Versorgungsschadens; diesen hat der Kläger jedoch nicht verlangt. Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Kläger berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen, noch kommt es darauf an, ob ein Schadensersatzanspruch wegen eines zu Unrecht erklärten Widerrufs des Bezugsrechts eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist.
Der Hintergrund:
Die Unverfallbarkeitsfrist beträgt gem. § 1b BetrVG grds. fünf Jahre, wobei der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens das 25. Lebensjahr vollendet haben muss. Etwas anderes gilt allerdings gem. § 30f BetrAVG für Versorgungszusagen vor dem 1.1.2001: Hierfür gilt grds. eine Unverfallbarkeitsfrist von zehn Jahren und der Arbeitnehmer muss im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 35. Lebensjahr vollendet haben. Die §§ 1b und 30f BetrAVG enthalten zudem einige weitere Sonderregelungen, weshalb jeweils eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall erforderlich ist.
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