22.01.2020

Kabinenpersonal von Air Berlin erhält keinen Nachteilsausgleich

Die Mitarbeiter des Kabinenpersonals, die infolge der Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin ihren Job verloren hatten, haben keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Der TVPV gilt nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für das Kabinenpersonal. Könnte die für diese Gruppe errichtete Personalvertretung einen Sachverhalt gestalten, der auch das Cockpitpersonal beträfe, widerspräche dies der in § 4 Abs. 1 TVG angeordneten geltungsbereichsbezogenen Wirkung von Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

BAG v. 21.1.2020 - 1 AZR 149/19 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Air Berlin. Die Klägerinnen waren vormals als Flugbegleiterinnen der Air Berlin tätig. Für das Kabinenpersonal der Air Berlin war auf der Grundlage eines mit ver.di geschlossenen Tarifvertrags (TVPV) die Personalvertretung Kabine errichtet. Nach § 83 Abs. 3 TVPV ist den Arbeitnehmern ein Nachteilsausgleich zu zahlen, wenn eine geplante Betriebsänderung durchgeführt wird, ohne dass über sie ein Interessenausgleich mit der Personalvertretung Kabine versucht wurde, und sie infolge dieser Maßnahme entlassen werden.

Anfang Oktober 2017 unterrichtete Air Berlin die Personalvertretung Kabine über die geplante Stilllegung des Geschäftsbetriebs zum Jahresende 2018. Nachdem die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs erfolgslos geblieben waren, rief Air Berlin die Einigungsstelle an. Diese erklärte sich allerdings am 10.1.2018 für unzuständig.

Ende Januar 2018 kündigte der Beklagte den im Kabinenbereich Beschäftigten betriebsbedingt. Mit ihren Klagen verlangten die Klägerinnen die Gewährung des Nachteilsausgleichs. Sie machten geltend, die Betriebsänderung in Form der Stilllegung des Flugbetriebs sei bereits mit den Ende November 2017 erfolgten Kündigungen der Piloten durchgeführt worden; zu diesem Zeitpunkt sei der Interessenausgleich mit der Personalvertretung Kabine noch nicht hinreichend versucht worden.

Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Auch die Revisionen der Klägerinnen blieben vor dem BAG erfolglos.

Die Gründe:
Die infolge der Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin entlassenen Mitglieder des Kabinenpersonals haben keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich.

§ 83 Abs. 3 TVPV sanktioniert die Verletzung des personalvertretungsrechtlichen Verhandlungsanspruchs. Dieser bezieht sich ausschließlich auf kabinenpersonalbezogene Maßnahmen. Das folgt aus einem gesetzeskonformen Verständnis des tariflich geregelten Beteiligungsrechts der Personalvertretung Kabine. Der TVPV gilt nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für das Kabinenpersonal. Könnte die für diese Gruppe errichtete Personalvertretung einen Sachverhalt gestalten, der auch das Cockpitpersonal, also die Piloten, beträfe, widerspräche dies der in § 4 Abs. 1 TVG angeordneten geltungsbereichsbezogenen Wirkung von Rechtsnormen eines Tarifvertrags über betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
 
BAG PM Nr. 2 vom 21.1.2020
Zurück