Kassiererin handelt bei telefonischer Herausgabe von Telefonkartencodes regelmäßig nicht grob fahrlässig ("Spoofing")
LAG Düsseldorf 29.8.2017, 14 Sa 334/17Die Beklagte ist als Kassiererin in Teilzeit bei einer Tankstelle angestellt. Bei ihrer zweitägigen Einarbeitung wurde ihr die Betriebsanweisung gegeben, dass sie keine Telefonkartencodes am Telefon herausgeben dürfe.
Am 29.9.2015 gegen 22.49 Uhr erhielt die Beklagte, während sie in der Tankstelle arbeitete, einen Anruf von einer männlichen Person, die sich als Mitarbeiter einer Telefongesellschaft ausgab. Sie sagte, dass eine Systemumstellung vorgenommen werden solle, womit die Firma, die für die Betriebssystembetreuung der Tankstelle zuständig war, beauftragt worden sei. Diese würde sich später telefonisch melden. Kurze Zeit später erhielt die Beklagte einen Anruf von einer weiteren männlichen Person, die sich als Mitarbeiter der beauftragten Firma ausgab. Der Mann erklärte, dass sämtliche 30-Euro-Prepaidtelefonkarten durch neue ersetzt werden müssten. Die Beklagte scannte daher auf Anweisung, die insgesamt 124 Prepaidkarten zu je 30 Euro ein, druckte die dazugehörigen Codes aus und gab sie dem Anrufer telefonisch durch. Es handelte sich bei den Anrufen um einen Betrugsfall in Form des sog. Spoofing, da eine falsche Telefonnummer des Anrufers angezeigt wurde.
Die Klägerin, eine Versicherung, erstattete der Inhaberin der Tankstelle den entstandenen Schaden i.H.v. 3.720 Euro und nahm die Beklagte aus übergangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin hat die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist nicht gewahrt. Nach dem Arbeitsvertrag kommt daher nur noch eine Haftung für grobe Fahrlässigkeit in Betracht.
Diese liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Die Beklagte hat die erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich hoher Art und Weise verletzt. Ebenso hat sie nichts verkannt, was jedem hätte sofort erkennbar sein müssen. Durch die doppelten Anrufe zweier unterschiedlicher Personen, hat sich die Beklagte in einer strukturellen Unterlegenheit gegenüber den Anrufern befunden. Der Betrug ist professionell vorbereitet gewesen. Die Beklagte durfte die Anrufe für echt halten, da das Kassensystem bei der Eingabe der 124 Telefonkarten nicht wie sonst gefragt hat, ob die Eingabe aufgrund telefonischer Anweisung erfolgt. Aufgrund dieses Umstands und der zwei Anrufe der angeblichen Mitarbeiter durfte die Beklagte davon ausgehen, dass alles ordnungsgemäß abläuft, selbst wenn generell die telefonische Herausgabe der Codes der Telefonkarten per Betriebsanweisung verboten war.