03.02.2021

Kein Anspruch auf vorgezogene Corona-Impfung

Die Knappheit der Impfstoffe ermöglicht die Teilhabe an der Impfung nur im Rahmen verfügbarer Kapazitäten und erfordert eine Priorisierung, die - unabhängig von der Frage einer möglichen Zuständigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers - grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Die vorrangige Impfung von Personen ab 80 Jahren überzeugt, weil sie vor allem dem Individualschutz wie dem Schutz der Allgemeinheit vor Überlastung der Versorgungssysteme dient.

LSG Niedersachsen v. 2.2.2021 - L 5 SV 1/21 B ER
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller lebt zusammen mit seiner berufstätigen Ehefrau, einer Grundschullehrerin, und zwei Kindern im Jugendalter, die noch die Schule besuchen. Er leidet an einer chronischen Herzkrankheit. Sein Hausarzt, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, bescheinigte ihm aufgrund dessen ein erheblich erhöhtes Risiko eines komplikativen COVID-Verlaufs; eine frühzeitige SARS-CoV-2-Impfung sei daher zwingend indiziert.

Nachdem der Antragsteller über die zentrale Impfhotline erfahren hatte, dass eine Impfung in der ersten Gruppe mit höchster Priorität für ihn ausgeschlossen sei, stelle er einen gerichtlichen Eilantrag. Er beanstandete, dass die Bundesregierung die Impfgruppen ausschließlich nach dem Alter eingeteilt hat und nicht nach anderen Risiken wie Vorerkrankungen. Weil seine Frau Grundschullehrerin sei und mit Schülern Kontakt habe, könne er sich nur begrenzt selbst schützen. Außerdem habe er zwei jugendliche Kinder.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstwilligen Anordnung abgelehnt. Ein Anspruch könne weder auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit) noch auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gestützt werden, da im vorliegenden Fall keine Verletzung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten vorliege. Das LSG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Antragsteller hat weder aus § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaImpfV noch - bei unterstellter Verfassungswidrigkeit der CoronaImpfV - einen unmittelbaren aus der Verfassung abgeleiteten Teilhabeanspruch aus Art. 2 Abs. 2 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG. Infolgedessen kann er keine unverzügliche Impfung im Rahmen der höchsten Priorität einfordern.

Der Antragsteller gehört zur Priorisierungsstufe 2. Die Knappheit der Impfstoffe ermöglicht die Teilhabe an der Impfung nur im Rahmen verfügbarer Kapazitäten und erfordert eine Priorisierung, die - unabhängig von der Frage einer möglichen Zuständigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers - grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Dies entspricht auch den Beschlussempfehlungen der STIKO.

Die vorrangige Impfung von Personen ab 80 Jahren überzeugt, weil damit viele schwere Erkrankungsfälle und Todesfälle verhindert werden können. Dies dient vor allem dem Individualschutz wie dem Schutz der Allgemeinheit vor Überlastung der Versorgungssysteme. Zudem bestehen auch keine Zweifel daran, dass die weiteren Differenzierungen ab Stufe 2 und Stufe 3 wissenschaftlich fundiert sind.

Dem Risiko des Antragstellers wird mit der Zuordnung zur Kategorie 2 ausreichend Rechnung getragen, auch wenn sich seine Frau als Grundschullehrerin Kontakten außerhalb des eigenen Haushalts nicht vollständig entziehen kann. Gleiches gilt schließlich auch für andere Bereiche wie Lebensmittel- und Drogeriemärkte, Erzieher und Erzieherinnen oder Angestellte in Apotheken und Arztpraxen. Infolgedessen ist es kein atypisches Risiko.
LSG Niedersachsen-Bremen, PM v. 2.2.2021
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