Kein Auskunftsanspruch abgelehnter Bewerber gegen Arbeitgeber - Auskunftsverweigerung auch nicht ohne Weiteres Indiz für AGG-Verstoß ("Meister")
BAG 25.4.2013, 8 AZR 287/08Die Klägerin, Frau Meister, stammt gebürtig aus der Russischen Sowjetrepublik. Im Alter von 45 Jahren bewarb sie sich auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines/einer Softwareentwicklers/-in. Sie bekam eine Absage, ohne zuvor zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Die Beklagte teilte ihr nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und ggf., welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich gewesen waren.
Die Klägerin vermutete u.a. wegen der Auskunftsverweigerung der Beklagten eine Diskriminierung und nahm diese daher auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch. Die Klägerin behauptete, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Daher liege ein Verstoß gegen das AGG vor.
Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab. Das BAG setzte das Verfahren zunächst aus, um das EuGH um eine Vorabentscheidung zu einem etwaigen Auskunftsrecht zu ersuchen. Der EuGH entschied mit Urteil vom 19.4.2012 (Rs. C-415/10), dass
- das Gemeinschaftsrecht einen solchen Auskunftsanspruch nicht vorsieht,
- die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Arbeitgeber jedoch u.U. einen Gesichtspunkt darstellen kann, welcher beim Nachweis der Tatsachen heranzuziehen ist, die eine Diskriminierung vermuten lassen.
Daraufhin bestätigte das BAG die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen.
+++ Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem AGG auf Entschädigung wegen Diskriminierung.
Das nationale Recht sieht einen Anspruch eines Bewerbers auf Auskunft, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat und ggf. aufgrund welcher Kriterien, nicht vor. Wie der EuGH am 19.4.2012 entschieden hat, ergibt sich ein solcher Auskunftsanspruch grds. auch nicht aufgrund des Gemeinschaftsrechts.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des EuGH besteht kein Entschädigungsanspruch der Klägerin. Diese hat zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast der Beklagten dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.
Auch die Verweigerung jeglicher Auskunft durch die Beklagte begründete im Streitfall nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 7 AGG.
+++ Der Hintergrund:
In der mündlichen Entscheidungsbegründung hat das BAG mehrmals betont, dass es sich vorliegend um eine einzelfallbezogene Bewertung handelt. Es ist daher fraglich, welche allgemeingültigen Aussagen man den - noch nicht vorliegenden - schriftlichen Entscheidungsgründen wird entnehmen können.
+++ Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
Für den auf der Homepage des EuGH veröffentlichten Volltext des Urteils vom 19.4.2012 (Rs. C-415/10) klicken Sie bitte hier.
+++ Mehr zum Thema:
Lesen Sie in ArbRB online, der Datenbank des Arbeits-Rechts-Beraters unter www.arbrb.de, einen Aufsatz zum Thema "Auskunftsanspruch des abgelehnten Bewerbers - Vorlage des BAG an den EuGH", ArbRB 2011, 149 (Kappelhoff).
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