Kein Entschädigungsanspruch des Arbeitgebers im Falle einer vierzehntägigen Quarantäneanordnung seines ansteckungsverdächtigen Arbeitnehmers
VG Koblenz v. 10.5.2021 - 3 K 107/21.KO u.a.
Der Sachverhalt:
Aufgrund einer infektionsschutzrechtlichen Anordnung befanden sich zwei ansteckungsverdächtige Mitarbeiterinnen der Klägerin in häuslicher Absonderung. In der Folge beantragte die Klägerin beim beklagten Land Rheinland-Pfalz die Erstattung von Entschädigungszahlungen, die sie während der Zeit der Absonderung an ihre Mitarbeiterinnen für deren Verdienstausfall geleistet hatte sowie von Sozialversicherungsbeiträgen. Das Land gewährte lediglich für die Zeit ab dem sechsten Tag der Absonderung eine Erstattung mit dem Hinweis, die Arbeitnehmerinnen hätten ggü. dem Arbeitgeber für die ersten fünf Tage der Absonderung einen Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgte die Klägerin ihr Begehren im Klageweg weiter. Sie trug vor, bei einer Quarantänedauer von mehr als fünf Tagen könne nicht mehr - wie § 616 BGB vorsehe - von einer Verhinderung von verhältnismäßig nicht erheblicher Zeit gesprochen werden. Dauere die Verhinderung demnach eine erhebliche Zeit, so entfalle der Lohnfortzahlungsanspruch insgesamt, d.h. auch für den nicht erheblichen Zeitraum ("Alles-oder-Nichts-Prinzip").
Dem folgte das VG nicht und wies die Klagen ab (3 K 107/21.KO und 3 K 108/21.KO). Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Zwar hat ein Arbeitgeber, der im Falle der Absonderung seines Arbeitnehmers Lohnfortzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge leistet, nach dem Infektionsschutzgesetz einen Anspruch auf Erstattung dieser Leistungen. Dieser scheidet jedoch aus, wenn dem Arbeitnehmer trotz seiner Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit gegen seinen Arbeitgeber ein Lohnfortzahlungsanspruch zusteht. Gemäß § 616 Satz 1 BGB besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Dies ist hier der Fall. Bei den behördlichen Absonderungsanordnungen, die aufgrund eines Ansteckungsverdachts der Arbeitnehmerinnen der Klägerin ergangen sind, handelt es sich um ein in deren Person liegendes Leistungshindernis.
Darüber hinaus stellt die aufgrund der Absonderung eingetretene Dauer der Arbeitsverhinderung der Arbeitnehmerinnen von sechs bzw. vierzehn Tagen noch eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dar. Für die Beurteilung ist in erster Linie das Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und der Dauer der Arbeitsverhinderung maßgeblich. Dabei ist bei einer Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr grundsätzlich eine höchstens vierzehn Tage andauernde Arbeitsverhinderung infolge einer Absonderung noch als nicht erhebliche Zeit anzusehen. Auch bedarf dieses Ergebnis im zu entscheidenden Fall nicht aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten einer Korrektur. Denn das Risiko, während einer höchstens vierzehntägigen Quarantäne des Arbeitnehmers bei einem mindestens ein Jahr andauernden Beschäftigungsverhältnis den Lohn für zwei Wochen weiterzahlen zu müssen, ist für den Arbeitgeber grundsätzlich kalkulierbar. Da die Mitarbeiterinnen der Klägerin bei dieser bereits deutlich länger als ein Jahr beschäftigt sind, hat diesen somit ein Lohnfortzahlungsanspruch zugestanden. Dies schließt einen Entschädigungsanspruch der Klägerin aus.
VG Koblenz PM Nr. 19 vom 1.6.2021
Aufgrund einer infektionsschutzrechtlichen Anordnung befanden sich zwei ansteckungsverdächtige Mitarbeiterinnen der Klägerin in häuslicher Absonderung. In der Folge beantragte die Klägerin beim beklagten Land Rheinland-Pfalz die Erstattung von Entschädigungszahlungen, die sie während der Zeit der Absonderung an ihre Mitarbeiterinnen für deren Verdienstausfall geleistet hatte sowie von Sozialversicherungsbeiträgen. Das Land gewährte lediglich für die Zeit ab dem sechsten Tag der Absonderung eine Erstattung mit dem Hinweis, die Arbeitnehmerinnen hätten ggü. dem Arbeitgeber für die ersten fünf Tage der Absonderung einen Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgte die Klägerin ihr Begehren im Klageweg weiter. Sie trug vor, bei einer Quarantänedauer von mehr als fünf Tagen könne nicht mehr - wie § 616 BGB vorsehe - von einer Verhinderung von verhältnismäßig nicht erheblicher Zeit gesprochen werden. Dauere die Verhinderung demnach eine erhebliche Zeit, so entfalle der Lohnfortzahlungsanspruch insgesamt, d.h. auch für den nicht erheblichen Zeitraum ("Alles-oder-Nichts-Prinzip").
Dem folgte das VG nicht und wies die Klagen ab (3 K 107/21.KO und 3 K 108/21.KO). Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Zwar hat ein Arbeitgeber, der im Falle der Absonderung seines Arbeitnehmers Lohnfortzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge leistet, nach dem Infektionsschutzgesetz einen Anspruch auf Erstattung dieser Leistungen. Dieser scheidet jedoch aus, wenn dem Arbeitnehmer trotz seiner Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit gegen seinen Arbeitgeber ein Lohnfortzahlungsanspruch zusteht. Gemäß § 616 Satz 1 BGB besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Dies ist hier der Fall. Bei den behördlichen Absonderungsanordnungen, die aufgrund eines Ansteckungsverdachts der Arbeitnehmerinnen der Klägerin ergangen sind, handelt es sich um ein in deren Person liegendes Leistungshindernis.
Darüber hinaus stellt die aufgrund der Absonderung eingetretene Dauer der Arbeitsverhinderung der Arbeitnehmerinnen von sechs bzw. vierzehn Tagen noch eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dar. Für die Beurteilung ist in erster Linie das Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und der Dauer der Arbeitsverhinderung maßgeblich. Dabei ist bei einer Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr grundsätzlich eine höchstens vierzehn Tage andauernde Arbeitsverhinderung infolge einer Absonderung noch als nicht erhebliche Zeit anzusehen. Auch bedarf dieses Ergebnis im zu entscheidenden Fall nicht aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten einer Korrektur. Denn das Risiko, während einer höchstens vierzehntägigen Quarantäne des Arbeitnehmers bei einem mindestens ein Jahr andauernden Beschäftigungsverhältnis den Lohn für zwei Wochen weiterzahlen zu müssen, ist für den Arbeitgeber grundsätzlich kalkulierbar. Da die Mitarbeiterinnen der Klägerin bei dieser bereits deutlich länger als ein Jahr beschäftigt sind, hat diesen somit ein Lohnfortzahlungsanspruch zugestanden. Dies schließt einen Entschädigungsanspruch der Klägerin aus.