Keine Altersdiskriminierung durch Formulierung "junges Team mit flachen Hierarchien"
LAG Berlin-Brandenburg v. 1.7.2021 - 5 Sa 1573/20Der Kläger macht Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. Der Kläger (geboren 1972) bewarb sich am 6.1.2020 per E-Mail bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Stelle "(Junior) Key-Account Manager (w/m/d)". Im Ausschreibungstext heißt es u.a.:
"Wir sind der Berliner Startup A und gemeinsam mit dir möchten wir an unserer Vision des Guten Schlafens arbeiten. Begonnen hat alles Anfang 2017...
Wir suchen...
- relevante Ausbildung oder relevantes Studium, sowie erste Erfahrungen im Bereich Accountmanagement oder Vertrieb...
Wir bieten...
- junges Team mit flachen Hierarchien, das dir echten Gestaltungsspielraum lässt..."
Die Beklagte erteilte dem Kläger am 7.1.2020 eine Absage und besetzte die Stelle anderweitig. Am 9.3.2020 machte der Kläger per Mail einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung i.H.v. 7.500 € geltend. Mit seiner Klage macht der Kläger Entschädigungszahlungen nach dem AGG i.H.v. min. 5.000 € geltend. Die Beklagte habe ihn wegen seines Alters benachteiligt. Die Verwendung der Worte "junges Team" in der Stellenausschreibung indiziere dies.
Das ArbG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Beklagte hat nicht zu Lasten des Klägers gegen das Benachteiligungsverbot (§§ 1, 7 Abs. 1 AGG) verstoßen und ist diesem deshalb nicht gem. § 15 Abs. 1 und 2 AGG zu der Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet.
Eine mittelbare Benachteiligung behauptet der Kläger nicht. Aber auch zu der von ihm angenommenen unmittelbaren Benachteiligung ist es nicht gekommen. Der Kläger hat zwar eine weniger günstige Behandlung erfahren, als der Beschäftigte, der nach dem Vortrag der Beklagten von ihr eingestellt wurde. Diese Benachteiligung beruhte jedoch nicht auf einem in § 1 AGG genannten Grund. Soweit der Kläger behauptet, seine Bewerbung sei wegen seines Alters erfolglos geblieben, hat er einen solchen Sachverhalt nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht gem. § 22 AGG auf die Vermutung stützen, er sei wegen seines Alters benachteiligt worden. Indizien dafür liegen nicht vor.
Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Stellenausschreibung der Beklagten keine Formulierungen enthält, die "auf den ersten Blick" den Anschein erwecken, die Beklagte habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben. Eine an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Stellenausschreibung ist nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von durchschnittliche Bewerber verstanden werden. Eine solche Person musste vorliegend die Stellenausschreibung nicht so verstehen, dass die Beklagte Menschen jungen Alters suchte.
Ein solches Verständnis ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte im Ausschreibungstext ein "junges Team mit flachen Hierarchien" bietet, das echten Gestaltungsspielraum lasse. Zwar kann der Hinweis in einer Stellenausschreibung, wonach die sich bewerbende Person eine intensive Einarbeitung in verschiedenen Abteilungen in einem professionellen Umfeld "mit einem jungen dynamischen Team" erwarte, so verstanden werden, dass eine Person gesucht wird, die ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Vorliegend wird jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beklagten um ein noch nicht lange existierendes Startup-Unternehmen handelt, das am Wachstum arbeitet. In diesem Zusammenhang müssen durchschnittliche Bewerber die im weiteren Text enthaltene Aussage, die Beklagte biete ein "junges Team mit flachen Hierarchien, dass dir einen echten Gestaltungsspielraum lässt" als Hinweis darauf verstehen, dass sie in einer erst seit kurzem bestehenden Belegschaft mit wenigen vorgesetzten Personen einen eigenen Gestaltungsspielraum bei der Mitarbeit an neuen Produkten, deren Vermarktung und neuen Wachstumsstrategien haben.
Dass trotz dieses nahliegenden Verständnisses gleichwohl eine junge Person gesucht werde, kann entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Stellenausschreibung entnommen werden. Die durchgehende Verwendung der zweiten Person ("dir", "deine") ist kein Hinweis darauf, dass jugendliche Personen angesprochen werden, sondern heutzutage eine in vielen großen Unternehmen übliche Art und Weise des vom Alter unabhängigen Ansprechens von Mitarbeitern. Die Verwendung des Wortes "Junior" in der Stellenbezeichnung hat ebenfalls keinen Bezug zum Lebensalter, sondern zur Stellung in der Hierarchie des Unternehmens.
Mehr zum Thema:
Thüsing in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020
Lesen Sie vertiefend in Otto Schmidt online die Kommentierung zu § 611a BGB, VI. Vertragsanbahnung, 2. Anwerbung von Arbeitnehmern, a) Anwerbungsmöglichkeiten, RN 147 ff.
Abrufbar auch im Rahmen eines vierwöchigen Gratistests des Aktionsmoduls Arbeitsrecht.