20.03.2018

Keine Berücksichtigung im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer bei mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten

Für die Berechnung der im MitbestG in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 1 geregelten Schwellenwerte ist allein die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer maßgeblich. Der Einbezug von ausländischen Arbeitnehmern ist weder aus europarechtlichen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

LG Hamburg 6.2.2018, 403 HKO 130/17
Der Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin ist z. Z. mit je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigener und der Arbeitnehmer paritätisch besetzt. Die Antragsgegnerin selbst beschäftigte zum Stichtag (30.10.2017) insgesamt 2.386 Mitarbeiter. Unter Berücksichtigung ihrer deutschen Konzerngesellschaften waren bei ihr im Inland insgesamt 6.521 Mitarbeiter beschäftigt. In den übrigen EU-Mitgliedstaaten beschäftigte sie 3.628 Mitarbeiter zum Stichtag. Weltweit waren es insgesamt 18.442 Mitarbeiter.

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. Er ist der Auffassung, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin unzutreffend besetzt sei. Da der Konzern weltweit 18.442 Mitarbeiter beschäftige, sei der Aufsichtsrat gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG mit je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigener und der Arbeitnehmer zu besetzen. Ausländische Arbeitnehmer seien bei der Berechnung des Schwellenwerts miteinzubeziehen. Er beantragte daher, die gerichtliche Entscheidung über die entsprechende Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft. Das LG wies den Antrag zurück.

Die Gründe:
Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin besteht zutreffend aus jeweils sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigener und sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer. Werden bei einer Aktiengesellschaft i.d.R. nicht mehr als 10.000 Arbeitnehmer beschäftigt, so setzt sich der Aufsichtsrat gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigener und Arbeitnehmer zusammen. Die Antragsgegnerin fällt in diese Kategorie, denn bei der Ermittlung der Schwellenwerte, sind die Arbeitnehmer in ausländischen Betrieben von Niederlassungen und Tochtergesellschaften nicht mit zu berücksichtigen. Einschließlich aller inländischen Konzerngesellschaften waren bei der Antragsgegnerin zuletzt ca. 6.521 Arbeitnehmer beschäftigt.

Dass es bei der Ermittlung der Schwellenwerte von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 MitbestG nur auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer ankommt, folgt aus § 3 Abs. 1 MitbestG. Danach sind Arbeitnehmer i.S.d. MitbestG die in § 5 Abs. 1 BetrVG bezeichneten Arbeitnehmer sowie die leitenden Angestellten (§ 5 Abs. 3 BetrVG) unter Ausschluss der in § 5 Abs. 2 BetrVG genannten Personen. Für die betriebliche Mitbestimmung gilt seit jeher das Territorialitätsprinzip. Die Vorschriften des BetrVG knüpfen ausschließlich an das Belegenheitsrecht des konkreten Betriebs an. Dies bedeutet, dass die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG erfasst werden und bei der Schwellenwertermittlung nicht mitzuzählen sind. Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers.

Auch der Zweck des MitbestG spricht für keine andere Auslegung, denn das MitbestG soll eine geleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungen im Unternehmen sicherstellen. Dafür ist es irrelevant, ob die Arbeitnehmer ausländischer Betriebe mitberücksichtigt werden oder nicht. Die Vorgabe der Schwellenwerte dient vielmehr der notwendigen Schematisierung.

Die Nichtberücksichtigung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer verstößt auch nicht gegen geltendes EU-Recht. Es liegt weder eine nach Art. 18 AEUV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit noch ein Verstoß gegen die in Art 45 AEUV geregelte Freizügigkeit vor. Schließlich ist eine Berücksichtigung auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, denn für die Differenzierung zwischen im Inland und im Ausland Beschäftigter gibt es sachliche Gründe, die die Differenzierung rechtfertigen.

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