Keine Durchbrechung der restkräftigen Feststellung von wirksamer Kündigung eines katholischen Kirchenmusikers durch Schadensersatz
LAG Düsseldorf 12.9.2018, 12 Sa 757/17Der Kläger war seit 1983 bei einer katholischen Kirchengemeinde als Chorleiter und Organist in Vollzeit beschäftigt. Die Gemeinde kündigte das Arbeitsverhältnis am 15.7.1997 zum 31.3.1998. Grund für die Kündigung war die Trennung des Klägers von seiner Ehefrau und die Eingehung einer neuen Partnerschaft, aus der ein Kind hervorging. Nachdem das Arbeitsgericht und das LAG der Kündigungsschutzklage stattgegeben hatten, hob das BAG das Urteil des LAG auf. Das LAG wies sodann die Klage nach erneuter Verhandlung ab, da der Kläger als Organist eine große Nähe zum Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche gehabt habe und die Aufnahme einer neuen Beziehung eine sittliche Verfehlung i.S.d. Grundordnung des kirchlichen Diensts im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse sei. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde vom BAG als unzulässig verworfen. Die Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an.
Der EGMR stellte einen Verstoß gegen Art. 8 der EMRK fest. Die Nähe des Klägers zum Verkündigungsauftrag sei nicht ausreichend geprüft worden und die nicht konkurrierenden Recht nicht ausreichend abgewogen worden. Der Kläger begehrte sodann vor dem EGMR Ersatz für einen materiellen und immateriellen Schaden i.H.v. insgesamt rd. 350.000 €. Der EGMR sprach dem Kläger schließlich aufgrund der unzureichenden Interessenabwägung, des Verlusts an Chancen und des immateriellen Schadens eine von der Bundesrepublik Deutschland zu zahlende Entschädigung i.H.v. 40.000 € zu.
Die vom Kläger nach nationalem Recht erhobene Restitutionsklage wurde vom LAG und BAG als unzulässig verworfen. Der eingeführte Wiederaufnahmegrund der vom EGMR festgestellten Konventionsverletzung war auf das Verfahren des Klägers zeitlich nicht anwendbar. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos. Mit dem von ihm geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruch scheiterte er vor dem LAG und dem BAG.
Seine Schadensersatzklage vor dem LAG wegen entgangener Vergütung blieb ohne Erfolg. Die Revision wurde zugelassen.
Die Gründe:
Die Kirche hat sich nicht in vorsätzlicher Weise die rechtskräftigen Urteile erschlichen, indem sie den staatlichen Gerichten in den Jahren 1997 bis 2000 in Wahrheit nicht existierende kirchenrechtliche Kündigungsgründe vorgetragen hat. Die dauerhafte außereheliche Beziehung des Klägers war nach kirchenrechtlichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet. Zwar wird als Regelbeispiel in Art. 5 der Grundordnung des kirchlichen Diensts im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) nur der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis ungültigen Ehe genannt. Die Regelbeispiele sind aber nicht abschließend. Auch das Unterhalten einer dauerhaften außerehelichen Beziehung kann im Einzelfall als sonstige schwerwiegende Verfehlung i.S.v. Art. 5 GrO angesehen werden. Dies hat der EGMR auch nicht beanstandet.
Die Kirche hat im damaligen Verfahren auch bewusst nicht falsch oder unvertretbar vorgetragen, dass der Kläger als Kirchenmusiker eine Nähe zum Verkündigungsauftrag der Kirche gehabt habe. Auch wenn die deutschen Gerichte - wie vom EGMR beanstandet - dies nicht ausreichend geprüft haben, hat sich die Kirche in zumindest vertretbarer Weise auf den Standpunkt gestellt, dass an den Kläger als Kirchenmusiker und somit als Mitarbeiter im liturgischen Dienst gesteigerte Loyalitätsanforderungen zu stellen sind. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB, die zur Durchbrechung der Rechtskraft der ergangenen Urteile führt, ist nicht gegeben. Insbesondere war die Frage, ob Kirchenmusiker am Verkündigungsauftrag teilnehmen, bereits Gegenstand des ersten Verfahrens.
Da die Entscheidung des EGMR kein Grund zur Wiederaufnahme des ehemaligen Kündigungsschutzverfahrens ist, hatte das LAG keine vollständig neue inhaltliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung vorzunehmen. Eine Durchbrechung der Rechtskraft der bisherigen Entscheidungen aufgrund eines Schadensersatzanspruchs kam nicht in Betracht, da die dafür strengen Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EGMR nicht gegeben sind.