Keine hohen Anforderungen an Ausstrahlungswirkung eines inländischen Betriebs auf einen im Ausland tätigen Arbeitnehmer
LAG Niedersachsen 9.11.2017, 5 Sa 1006/16Die Beklagte ist Teil der X Gruppe, einem weltweiten Konzern der Öl- und Erdgasindustrie. Während der Hauptsitz der X Gruppe in Aberdeen (Schottland) liegt, organisiert die Beklagte jedenfalls den gesamten europäischen Bohrbetrieb. Die Beklagte führt lediglich einen einzigen Betrieb in A-Stadt. Dort existiert ein Betriebsrat.
Der Kläger ist seit 1978 bei der Beklagten oder deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Zuletzt war er ab Sommer 2015 in D tätig. Davor war er aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 5.12.2013 in P als Bohranlagenmanager tätig. Jedenfalls war er seit 1999 durchgehend im Ausland tätig. Der Arbeitsvertrag gibt der Beklagten u.a. ein weitreichendes Direktionsrecht. Sie kann den Arbeitnehmer einem anderen Arbeitsort, einer anderen Position oder einem verbundenen Unternehmen zuweisen.
Schließlich kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger ordentlich zum 31.7.2016 aus betriebsbedingten Gründen. Sie hörte den bei ihr gewählten Betriebsrat dazu nicht an. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Er war der Auffassung, er sei dem in A-Stadt ansässigen Betrieb zuzurechnen und rügte daher die fehlende soziale Rechtfertigung sowie die fehlende Anhörung des Betriebsrats. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung hatte vor dem LAG Erfolg.
Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die streitgegenständliche ordentliche Kündigung zum 31.7.2016 beendet worden. Die Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam. Der im Betrieb der Beklagte gewählte Betriebsrat ist zu der Kündigung nicht abgehört worden, obwohl er es hätte müssen, denn der Kläger ist im betriebsverfassungsrechtlichen und im kündigungsschutzrechtlichen Sinne diesem Betrieb zugehörig.
Aus dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG folgt, dass grundsätzlich nur solche Arbeitnehmer der Geltung des BetrVG unterfallen, die in inländischen Betrieben beschäftigt sind. Von diesem Grundsatz ist für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer dann eine Ausnahme zu machen, wenn der inländische Betrieb auf diesen Arbeitnehmer eine ausstrahlende Wirkung hat. Welche Kriterien für die allgemein anerkannte Ausstrahlung des inländischen Betriebs auf den im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer gelten, ist im Einzelnen streitig. Nach neuester Rechtsprechung kommt es auf die Eingliederung in den inländischen Betrieb an, insbesondere darauf, ob die Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers dem Betriebszweck des inländischen Betriebs dient und er dem Direktionsrecht des inländischen Betriebsinhabers unterfällt. Die Dauer des Auslandseinsatzes darf hingegen keine entscheidende Rolle spielen. Der Rechtsgedanke des § 14 AÜG muss berücksichtigt werden und es dürfen keine hohen Anforderungen an die Kriterien gestellt werden.
Im vorliegenden Fall ist die Zugehörigkeit des Klägers zu dem in A-Stadt gelegenen Betrieb unter Anwendung dieser Kriterien zu bejahen. Die Beklagte führt lediglich einen Betrieb und dieser ist in A-Stadt, Deutschland, ansässig. Daher lässt sich die Beklagte mit dem Betrieb gleichsetzen. Zudem dient die Auslandstätigkeit des Klägers dem Betriebszweck der Beklagten. Die Tätigkeit dient jedenfalls dazu, den übergeordneten Zweck des internationalen Konzerns zu fördern und damit erfüllt die Beklagte einen Hilfszweck, da sie diese Tätigkeit durch Personalüberlassung unterstützt. Darüber hinaus hat die Beklagte auf Grundlage des Arbeitsvertrags ein weitgehendes Direktionsrecht. Ausländische Organisationen können nur aufgrund eines abgeleiteten Weisungsrechts, welches unmittelbar in dem Arbeitsverhältnis der Parteien verankert ist, handeln.
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