Keine Kündigung einer Schwangeren wegen kritischer Äußerungen auf facebook über Kunden des Arbeitgebers
Bayerischer VGH 29.2.2012, 12 C 12.264Die schwangere Klägerin wurde von ihrem Arbeitgeber als Sicherheitsmitarbeiterin im Empfangsbereich des Telefonanbieters X eingesetzt. Bei diesem war sie auch Privatkundin. Im September 2011 postete sie auf ihrem privaten facebook-Account über X:
"Boah kotzen die mich an von X, da sperren sie einfach das Handy, obwohl man schon bezahlt hat ... und dann behaupten die es wären keine Zahlungen da. Solche Penner ... Naja ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter ..."
Der Arbeitgeber wollte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen dieser Äußerung fristlos kündigen. Er stellte deshalb gem. § 9 Abs. 3 MuSchG einen Antrag bei der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde auf Zulässigerklärung der Kündigung. Die Behörde ließ die Kündigung zu. Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für ihre Klage gegen diesen Bescheid. Das VG wies den Antrag als unbegründet ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem VGH Erfolg.
Die Gründe:
Das VG hat der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zu Unrecht versagt, da die beabsichtigte Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
§ 9 Abs. 3 MuSchG lässt eine Ausnahme vom Kündigungsverbot gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen nur zu, wenn ein "besonderer Fall" vorliegt. Ein solcher ist nur bei besonders schweren Verstößen der Schwangeren gegen arbeitsvertragliche Pflichten gegeben, die dazu führen, dass dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses schlechthin unzumutbar wird. Der "besondere Fall" des § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG ist deshalb mit dem "wichtigen Grund" des § 626 BGB nicht gleichzusetzen.
Angesichts dieses strengen Maßstabs liegt die Annahme eines "besonderer Falls" hier fern. Denn die Äußerung der Klägerin stellt keine Schmähkritik dar, sondern ist - trotz ihres rüden Tons - wohl noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Das VG hat zudem nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die Äußerungen nur auf das private Vertragsverhältnis der Klägerin mit X beziehen. Die Klägerin hat daher wie jeder andere Kunde von X auch ihre privaten Interessen wahrgenommen. Das haben sowohl der Arbeitgeber als auch X hinzunehmen.
Das VG ist außerdem zu Unrecht davon ausgegangen, dass es keinen Unterschied macht, ob ein "posting" über den privaten oder öffentlichen Bereich von facebook erfolgt. Bei einer vertraulichen Kommunikation nur mit den eigenen Internetfreunden dürfen Arbeitnehmer - wie bei vertraulichen Gesprächen mit Kollegen oder Freunden - regelmäßig darauf vertrauen, dass die Äußerungen nicht nach außen getragen werden.