Keine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit bei Reise in ein Hochrisikogebiet mit geringerer Inzidenz als in Deutschland
ArbG Kiel v. 27.6.2022 - 5 Ca 229 f/22
Der Sachverhalt:
Die dreifach geimpfte Klägerin reiste im Januar/Februar 2022 in die Dominikanische Republik. Diese war vom Robert-Koch-Institut im Januar 2022 als Hochrisikogebiet ausgewiesen worden. Am Abflugtag lag dort die Inzidenz bei 378 und in Deutschland bei 879. Rund eine Woche nach Beendigung der Reise war die Inzidenz in der Dominikanischen Republik auf 73 gefallen und in Deutschland auf 1.465 gestiegen. Im direkten Anschluss an die Reise wurde die Klägerin positiv auf Corona getestet und legte der Arbeitgeberin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Diese erkannte die Beklagte nicht an und leistete für den ausgewiesenen Zeitraum keine Entgeltfortzahlung. Die Klägerin sei mangels Symptomen nicht arbeitsunfähig gewesen und habe die Erkrankung durch ihren Reiseantritt schuldhaft herbeigeführt.
Die Klage auf Entgeltfortzahlung hatte Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen worden.
Die Gründe:
Ein Arbeitnehmer ist auch dann arbeitsunfähig, wenn er symptomlos Corona-positiv getestet ist und nicht im Homeoffice tätig sein kann. Im Übrigen lässt die Information der Klägerin an die Arbeitgeberin, dass es ihr ganz gut gehe, den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht entfallen. Die gegen die Klägerin angeordnete Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus.
Insbesondere hat die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit auch nicht verschuldet. Dies setzt einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen voraus. Dies entspricht nicht der Wertung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG. Jedenfalls dann, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes bzw. der Bundesrepublik Deutschland liegen, verstößt der Arbeitnehmer nicht in grober Weise gegen sein Eigeninteresse. Die Reise in das Hochrisikogebiet geht in diesen Fällen nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | EFZG
Entgeltfortzahlungsanspruch: Kein Verschulden des Arbeitnehmers
Vogelsang in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022
Aufsatz:
Checkliste: Der kranke ArbN in der Beratungspraxis
IWWAA 2020, 176
Alles auch abrufbar im Aktionsmodul Arbeitsrecht:
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Jetzt hier vorab online: die Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar! 4 Wochen gratis nutzen!
LAG Schleswig-Holstein PM vom 20.7.2022
Die dreifach geimpfte Klägerin reiste im Januar/Februar 2022 in die Dominikanische Republik. Diese war vom Robert-Koch-Institut im Januar 2022 als Hochrisikogebiet ausgewiesen worden. Am Abflugtag lag dort die Inzidenz bei 378 und in Deutschland bei 879. Rund eine Woche nach Beendigung der Reise war die Inzidenz in der Dominikanischen Republik auf 73 gefallen und in Deutschland auf 1.465 gestiegen. Im direkten Anschluss an die Reise wurde die Klägerin positiv auf Corona getestet und legte der Arbeitgeberin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Diese erkannte die Beklagte nicht an und leistete für den ausgewiesenen Zeitraum keine Entgeltfortzahlung. Die Klägerin sei mangels Symptomen nicht arbeitsunfähig gewesen und habe die Erkrankung durch ihren Reiseantritt schuldhaft herbeigeführt.
Die Klage auf Entgeltfortzahlung hatte Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen worden.
Die Gründe:
Ein Arbeitnehmer ist auch dann arbeitsunfähig, wenn er symptomlos Corona-positiv getestet ist und nicht im Homeoffice tätig sein kann. Im Übrigen lässt die Information der Klägerin an die Arbeitgeberin, dass es ihr ganz gut gehe, den hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht entfallen. Die gegen die Klägerin angeordnete Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus.
Insbesondere hat die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit auch nicht verschuldet. Dies setzt einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen voraus. Dies entspricht nicht der Wertung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG. Jedenfalls dann, wenn die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes bzw. der Bundesrepublik Deutschland liegen, verstößt der Arbeitnehmer nicht in grober Weise gegen sein Eigeninteresse. Die Reise in das Hochrisikogebiet geht in diesen Fällen nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus.
Kommentierung | EFZG
Entgeltfortzahlungsanspruch: Kein Verschulden des Arbeitnehmers
Vogelsang in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022
Aufsatz:
Checkliste: Der kranke ArbN in der Beratungspraxis
IWWAA 2020, 176
Alles auch abrufbar im Aktionsmodul Arbeitsrecht:
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Jetzt hier vorab online: die Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar! 4 Wochen gratis nutzen!