23.01.2020

Keine vorsorgliche Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei Arbeitnehmer-Umsetzung vor Entscheidung über Gleichstellungsantrag

In Fällen, in denen ein als behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannter Arbeitnehmer die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Umsetzung dieses Arbeitnehmers zu unterrichten und sie hierzu anzuhören, wenn über den Gleichstellungsantrag noch nicht entschieden ist.

BAG v. 22.1.2020 - 7 ABR 18/18
Der Sachverhalt:
Die Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall arbeitet in einem Jobcenter und ist als behinderter Mensch mit einem GdB von 30 anerkannt. Am 4.2.2015 hatte sie einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt und den Leiter des Jobcenters hierüber informiert. Daraufhin setzte das Jobcenter die Arbeitnehmerin im November 2015 für die Dauer von sechs Monaten in ein anderes Team um, ohne zuvor die Schwerbehindertenvertretung darüber unterrichtet und angehört zu haben. Mit Bescheid vom 21.4.2016 stellte die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmerin rückwirkend zum 4.2.2015 einem schwerbehinderten Menschen gleich.

Die Schwerbehindertenvertretung hat im Wege eines Hauptantrags und mehrerer Hilfsanträge im Wesentlichen geltend gemacht, das Jobcenter habe sie vorsorglich auch dann zu unterrichten und anzuhören, wenn behinderte Arbeitnehmer, die einen Gleichstellungsantrag gestellt und dies dem Jobcenter mitgeteilt haben, auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden sollen. Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben, das LAG hat die Anträge hingegen allesamt abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung blieb vor dem BAG ohne Erfolg.

Die Gründe:
Der Schwerbehindertenvertretung steht der begehrte vorsorgliche Anspruch auf Beteiligung im Hinblick auf Umsetzungen von behinderten Arbeitnehmern, die einen Gleichstellungsantrag gestellt haben, nicht zu.

Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Diese Regelung gilt gem. § 151 Abs. 1 SGB IX für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Die Beteiligungspflicht bei Umsetzungen besteht allerdings nicht, wenn die Umsetzung einen behinderten Arbeitnehmer betrifft, der einen Antrag auf Gleichstellung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist.

Die Gleichstellung erfolgt erst durch die konstitutiv wirkende Feststellung der Bundesagentur für Arbeit. Erst ab diesem Zeitpunkt besteht das Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung bei der Umsetzung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Zwar wirkt die Gleichstellung nach § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Tag des Eingangs des Antrags zurück. Dies begründet jedoch nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor der Entscheidung über den Gleichstellungsantrag vorsorglich über eine Umsetzung zu unterrichten und zu dieser anzuhören. Das ist mit den Vorgaben des Unionsrechts und der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar.
 
BAG PM Nr. 4 vom 22.1.2020
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