Kinderwunsch: Kündigung eines Kirchenmusikers wegen Überlegungen zu Leihmutterschaft im Ausland unwirksam
ArbG Braunschweig v. 15.9.2022 - 7 Ca 87/22
Der Sachverhalt:
Es handelt sich vorliegend um ein Kündigungsschutzverfahren eines bei der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig beschäftigten Kirchenmusikers. Der Kläger wehrt sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentlich fristlose Kündigung vom 22.3.2022, hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2022.
Die beklagte Landeskirche hat die Kündigung im Wesentlichen damit begründet, der Kläger habe sich Pläne offengehalten, für sich und seinen Ehemann Kinder im Wege der Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Hierin liege ein erheblicher Loyalitätsverstoß, der eine weitere Zusammenarbeit auch unter Berücksichtigung der exponierten Position des Klägers als Domkantor mit bundesweitem Bekanntheitsgrad unzumutbar mache. Zudem hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des Klägers zu Zerwürfnissen unter Mitarbeitern, die in weiten Teilen eine weitere Zusammenarbeit ablehnten, geführt.
Die Klägerseite hat dem u.a. entgegengehalten, dass zu keinem Zeitpunkt eine kommerzielle Leihmutterschaft geplant gewesen sei und dass die Landeskirche versuche, durch die Kündigung einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden. Ferner habe die Kirchengemeinde selbst für die Verbreitung des Sachverhalts gesorgt. Der Kläger sei in seiner Reputation und möglicherweise auch wirtschaftlich schwer geschädigt.
Das ArbG gab der Klage statt, erklärte sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für unwirksam und verurteilte die Landeskirche zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers als Domkantor bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens; einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wies das ArbG zurück. Diesbezüglich hatten die Parteien im Rahmen der Verhandlung über Prozesserklärungen eine Übereinkunft getroffen, um eine (zwangsweise) Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs zu vermeiden.
Die Gründe:
Ein an sich wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben, da in dem sanktionierten Verhalten des Klägers kein direkter Verstoß gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht gegenüber der Landeskirche zu erkennen ist. Indem der Kläger gegenüber der Landeskirche erklärt hat, sich die Möglichkeit einer Leihmutterschaft offenzuhalten, hat er nicht gegen eine konkrete, aus dem Selbstverständnis der Kirche folgende Loyalitätsanforderung verstoßen.
Auch überwiegt im Wege der gebotenen Abwägung der Interessen der Parteien im Einzelfall nicht das Interesse der Kirche an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist - neben dem Umstand, dass ein direkter Verstoß des Klägers gegen Loyalitätspflichten nicht erkannt werden kann - insbesondere zu berücksichtigen, dass die mit der Kündigung sanktionierte Äußerung keinen provokativen Charakter aufweist, sondern dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit unterfällt. Der bloße Abwägungsprozess des Klägers ist nicht mittels Kündigung zu sanktionieren.
Ferner bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die öffentliche Verbreitung der Problematik auf einem Verhalten des Klägers beruht; hierbei ist ein erheblicher Eigenanteil der Landeskirche und ein Mitverschulden zu erkennen.
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ArbG Braunschweig PM vom 14.7.2022
Es handelt sich vorliegend um ein Kündigungsschutzverfahren eines bei der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig beschäftigten Kirchenmusikers. Der Kläger wehrt sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentlich fristlose Kündigung vom 22.3.2022, hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2022.
Die beklagte Landeskirche hat die Kündigung im Wesentlichen damit begründet, der Kläger habe sich Pläne offengehalten, für sich und seinen Ehemann Kinder im Wege der Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Hierin liege ein erheblicher Loyalitätsverstoß, der eine weitere Zusammenarbeit auch unter Berücksichtigung der exponierten Position des Klägers als Domkantor mit bundesweitem Bekanntheitsgrad unzumutbar mache. Zudem hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des Klägers zu Zerwürfnissen unter Mitarbeitern, die in weiten Teilen eine weitere Zusammenarbeit ablehnten, geführt.
Die Klägerseite hat dem u.a. entgegengehalten, dass zu keinem Zeitpunkt eine kommerzielle Leihmutterschaft geplant gewesen sei und dass die Landeskirche versuche, durch die Kündigung einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden. Ferner habe die Kirchengemeinde selbst für die Verbreitung des Sachverhalts gesorgt. Der Kläger sei in seiner Reputation und möglicherweise auch wirtschaftlich schwer geschädigt.
Das ArbG gab der Klage statt, erklärte sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für unwirksam und verurteilte die Landeskirche zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers als Domkantor bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens; einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wies das ArbG zurück. Diesbezüglich hatten die Parteien im Rahmen der Verhandlung über Prozesserklärungen eine Übereinkunft getroffen, um eine (zwangsweise) Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs zu vermeiden.
Die Gründe:
Ein an sich wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben, da in dem sanktionierten Verhalten des Klägers kein direkter Verstoß gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht gegenüber der Landeskirche zu erkennen ist. Indem der Kläger gegenüber der Landeskirche erklärt hat, sich die Möglichkeit einer Leihmutterschaft offenzuhalten, hat er nicht gegen eine konkrete, aus dem Selbstverständnis der Kirche folgende Loyalitätsanforderung verstoßen.
Auch überwiegt im Wege der gebotenen Abwägung der Interessen der Parteien im Einzelfall nicht das Interesse der Kirche an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist - neben dem Umstand, dass ein direkter Verstoß des Klägers gegen Loyalitätspflichten nicht erkannt werden kann - insbesondere zu berücksichtigen, dass die mit der Kündigung sanktionierte Äußerung keinen provokativen Charakter aufweist, sondern dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit unterfällt. Der bloße Abwägungsprozess des Klägers ist nicht mittels Kündigung zu sanktionieren.
Ferner bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die öffentliche Verbreitung der Problematik auf einem Verhalten des Klägers beruht; hierbei ist ein erheblicher Eigenanteil der Landeskirche und ein Mitverschulden zu erkennen.
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