Krankengeld auch bei verspäteter Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung
BSG v. 21.9.2023 - B 3 KR 11/22 R
Der Sachverhalt:
Im Streit steht die Zahlung von weiterem Krankengeld vom 18.6. bis 11.9.2018. Die 1966 geborene, bei der beklagten Krankenkasse AOK Bayern versicherte Klägerin bezog fortlaufend und über das Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses zum 30.4.2018 hinaus Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit, zuletzt ärztlich festgestellt bis voraussichtlich Sonntag, 17.6.2018. Zu einer Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit durch - wie schon zuvor - ihren Hausarzt am 18.6.2018 kam es nicht. Die Klägerin suchte ohne vorherige Terminvereinbarung an diesem Tag die Arztpraxis auf und erhielt wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin für den 20.6.2018, an dem die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die Zahlung von weiterem Krankengeld ab dem 18.6.2018 lehnte die Beklagte ab, weil die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit nicht am 18.6.2018, sondern erst am 20.6.2018 ärztlich festgestellt worden sei und diese Feststellungslücke die Mitgliedschaft aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit Anspruch auf Krankengeld nicht aufrechterhalten habe.
Das SG verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide, der Klägerin im streitigen Zeitraum Krankengeld zu gewähren, und es stellte fest, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten fortbesteht. Das LSG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch seien erfüllt. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung aufgrund Beschäftigung sei aufgrund des Anspruchs auf Krankengeld im streitigen Zeitraum erhalten geblieben, weil die Lücke in der ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nicht leistungsschädlich sei. Die Klägerin habe im Sinne der Rechtsprechung des BSG alles ihr Zumutbare zur Erlangung einer lückenlosen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit getan, indem sie zu diesem Zweck am 18.6.2018 zu üblicher Öffnungszeit die Praxis ihres behandelnden Arztes aufgesucht habe, dort aber wegen Überlastung des Arztes aufgrund hohen Patientenaufkommens mit ihrem Begehren abgewiesen worden sei. Ihr sei vom Praxispersonal ein Termin für den 20.6.2018 gegeben worden in der Vorstellung, dass eine spätere Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung unschädlich für den Krankengeldanspruch sei. Dieses Fehlverhalten auf Seiten der Vertragsarztpraxis sei der Beklagten zuzurechnen. Hieran ändere nichts, dass die Klägerin ohne vorherige Terminvereinbarung erst am nächsten Tag nach der zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit ihren Arzt aufgesucht habe, denn dies stelle keine krankengeldschädliche Obliegenheitsverletzung dar.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügte die Beklagte die Verletzung von § 46 Satz 1 Nummer 2 und § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V. Die Klägerin habe ohne rechtzeitig vereinbarten Termin erstmals am letztmöglichen Tag die Arztpraxis aufgesucht und sich um einen Arzttermin zur erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bemüht. Sie habe nicht damit rechnen können, kurzfristig am gleichen Tag vorstellig werden zu können. Das Risiko, nicht umgehend einen Termin zu erhalten, liege allein in ihrem Bereich und nicht im Verantwortungsbereich des Arztes.
Das BSG hat die Revision zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Revision der Beklagten war unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 17.6.2018 hinaus erhalten geblieben ist und sie weiteres Krankengeld bis zum 11.9.2018 beanspruchen kann.
Zwar erfolgte keine erneute ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung am 18.6.2018, sondern erst am 20.6.2018. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Bewilligung von Krankengeld nötigen Arbeitsunfähigkeits-Feststellung beendete damit an sich die nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V aufrechterhaltene Pflichtmitgliedschaft und den Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld ab 18.6.2018. Grundsätzlich hat der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung erfolgt. Insoweit sind in der Rechtsprechung des BSG aber enge Ausnahmen anerkannt worden, bei deren Vorliegen der Versicherte so zu behandeln ist, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit steht es danach gleich, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist. Ob dem so ist, erfordert eine wertende Betrachtung der Risiko- und Verantwortungsbereiche des Versicherten, des Arztes und der Krankenkasse. In diese fließen verfassungsrechtliche Vorgaben mit ein.
Nach diesen Maßstäben wahrt ein Versicherter seinen Anspruch auf weiteres Krankengeld durch rechtzeitiges Tätigwerden grundsätzlich auch dann, wenn er ohne zuvor vereinbarten Termin am ersten Tag nach einer zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit die Praxis des behandelnden Arztes zu üblicher Öffnungszeit persönlich aufsucht, um wegen derselben Krankheit eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erlangen. Ohne Vorliegen besonderer Umstände darf ein Versicherter grundsätzlich darauf vertrauen, eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung seines behandelnden Vertragsarztes wegen derselben Krankheit auch dann zu erlangen, wenn er die Arztpraxis ohne zuvor vereinbarten Termin am letzten noch anspruchserhaltenden Tag zu üblicher Öffnungszeit persönlich aufsucht.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet angesichts der Schwere des Nachteils, der im dauerhaften Verlust des Krankengeldanspruchs durch die Beendigung der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V liegt, eine Fortentwicklung der in der Senatsrechtsprechung anerkannten Ausnahmefallgruppen von der strikten Anwendung der Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nummer 2 SGB V auch in "Altfällen" bis zum 10.5.2019, in denen - wie hier - die Arbeitsunfähigkeit nachträglich ärztlich festgestellt wird und das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit feststeht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherte sich um eine rechtzeitige ärztliche Feststellung zumindest ernsthaft bemüht hat. Die Anforderungen hieran sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu überspannen.
Ausgehend hiervon ist vorliegend die Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeits-Feststellungen für die Klägerin unschädlich, weil sie dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zuzurechnen ist. Mit dem persönlichen Aufsuchen der Praxis ihres behandelnden Hausarztes am 18.6.2018 als erstem Tag nach Ende der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ohne zuvor vereinbarten Termin zur üblichen Öffnungszeit, um eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erlangen, hat sie rechtzeitig versucht, eine rechtzeitige ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit zu erlangen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht darauf vertrauen durfte, noch am 18.6.2018 eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erhalten, waren nicht festzustellen und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Dass es nicht an diesem Tag zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gekommen ist, sondern erst verspätet am 20.6.2018, ist maßgeblich nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern dem Vertragsarzt und der Krankenkasse. Denn das vom Vertragsarzt angeleitete Praxispersonal hat ihr trotz Schilderung ihres Anliegens wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin erst für den 20.6.2018 gegeben, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die dahinter stehende (naheliegende) Fehlvorstellung, dass rückwirkende Arbeitsunfähigkeits-Feststellungen für Versicherte nicht leistungsschädlich seien, haben Krankenkassen mit zu verantworten, weil sie als maßgebliche Mitakteure im Gemeinsamen Bundesausschuss an dessen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie beteiligt sind, die eine begrenzte rückwirkende ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung zulässt.
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Im Streit steht die Zahlung von weiterem Krankengeld vom 18.6. bis 11.9.2018. Die 1966 geborene, bei der beklagten Krankenkasse AOK Bayern versicherte Klägerin bezog fortlaufend und über das Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses zum 30.4.2018 hinaus Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit, zuletzt ärztlich festgestellt bis voraussichtlich Sonntag, 17.6.2018. Zu einer Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit durch - wie schon zuvor - ihren Hausarzt am 18.6.2018 kam es nicht. Die Klägerin suchte ohne vorherige Terminvereinbarung an diesem Tag die Arztpraxis auf und erhielt wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin für den 20.6.2018, an dem die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die Zahlung von weiterem Krankengeld ab dem 18.6.2018 lehnte die Beklagte ab, weil die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit nicht am 18.6.2018, sondern erst am 20.6.2018 ärztlich festgestellt worden sei und diese Feststellungslücke die Mitgliedschaft aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit Anspruch auf Krankengeld nicht aufrechterhalten habe.
Das SG verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide, der Klägerin im streitigen Zeitraum Krankengeld zu gewähren, und es stellte fest, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten fortbesteht. Das LSG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch seien erfüllt. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung aufgrund Beschäftigung sei aufgrund des Anspruchs auf Krankengeld im streitigen Zeitraum erhalten geblieben, weil die Lücke in der ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nicht leistungsschädlich sei. Die Klägerin habe im Sinne der Rechtsprechung des BSG alles ihr Zumutbare zur Erlangung einer lückenlosen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit getan, indem sie zu diesem Zweck am 18.6.2018 zu üblicher Öffnungszeit die Praxis ihres behandelnden Arztes aufgesucht habe, dort aber wegen Überlastung des Arztes aufgrund hohen Patientenaufkommens mit ihrem Begehren abgewiesen worden sei. Ihr sei vom Praxispersonal ein Termin für den 20.6.2018 gegeben worden in der Vorstellung, dass eine spätere Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung unschädlich für den Krankengeldanspruch sei. Dieses Fehlverhalten auf Seiten der Vertragsarztpraxis sei der Beklagten zuzurechnen. Hieran ändere nichts, dass die Klägerin ohne vorherige Terminvereinbarung erst am nächsten Tag nach der zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit ihren Arzt aufgesucht habe, denn dies stelle keine krankengeldschädliche Obliegenheitsverletzung dar.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügte die Beklagte die Verletzung von § 46 Satz 1 Nummer 2 und § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V. Die Klägerin habe ohne rechtzeitig vereinbarten Termin erstmals am letztmöglichen Tag die Arztpraxis aufgesucht und sich um einen Arzttermin zur erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bemüht. Sie habe nicht damit rechnen können, kurzfristig am gleichen Tag vorstellig werden zu können. Das Risiko, nicht umgehend einen Termin zu erhalten, liege allein in ihrem Bereich und nicht im Verantwortungsbereich des Arztes.
Das BSG hat die Revision zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Revision der Beklagten war unbegründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 17.6.2018 hinaus erhalten geblieben ist und sie weiteres Krankengeld bis zum 11.9.2018 beanspruchen kann.
Zwar erfolgte keine erneute ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung am 18.6.2018, sondern erst am 20.6.2018. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Bewilligung von Krankengeld nötigen Arbeitsunfähigkeits-Feststellung beendete damit an sich die nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V aufrechterhaltene Pflichtmitgliedschaft und den Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld ab 18.6.2018. Grundsätzlich hat der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung erfolgt. Insoweit sind in der Rechtsprechung des BSG aber enge Ausnahmen anerkannt worden, bei deren Vorliegen der Versicherte so zu behandeln ist, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit steht es danach gleich, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist. Ob dem so ist, erfordert eine wertende Betrachtung der Risiko- und Verantwortungsbereiche des Versicherten, des Arztes und der Krankenkasse. In diese fließen verfassungsrechtliche Vorgaben mit ein.
Nach diesen Maßstäben wahrt ein Versicherter seinen Anspruch auf weiteres Krankengeld durch rechtzeitiges Tätigwerden grundsätzlich auch dann, wenn er ohne zuvor vereinbarten Termin am ersten Tag nach einer zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit die Praxis des behandelnden Arztes zu üblicher Öffnungszeit persönlich aufsucht, um wegen derselben Krankheit eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erlangen. Ohne Vorliegen besonderer Umstände darf ein Versicherter grundsätzlich darauf vertrauen, eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung seines behandelnden Vertragsarztes wegen derselben Krankheit auch dann zu erlangen, wenn er die Arztpraxis ohne zuvor vereinbarten Termin am letzten noch anspruchserhaltenden Tag zu üblicher Öffnungszeit persönlich aufsucht.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet angesichts der Schwere des Nachteils, der im dauerhaften Verlust des Krankengeldanspruchs durch die Beendigung der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 SGB V liegt, eine Fortentwicklung der in der Senatsrechtsprechung anerkannten Ausnahmefallgruppen von der strikten Anwendung der Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nummer 2 SGB V auch in "Altfällen" bis zum 10.5.2019, in denen - wie hier - die Arbeitsunfähigkeit nachträglich ärztlich festgestellt wird und das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit feststeht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherte sich um eine rechtzeitige ärztliche Feststellung zumindest ernsthaft bemüht hat. Die Anforderungen hieran sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu überspannen.
Ausgehend hiervon ist vorliegend die Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeits-Feststellungen für die Klägerin unschädlich, weil sie dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zuzurechnen ist. Mit dem persönlichen Aufsuchen der Praxis ihres behandelnden Hausarztes am 18.6.2018 als erstem Tag nach Ende der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ohne zuvor vereinbarten Termin zur üblichen Öffnungszeit, um eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erlangen, hat sie rechtzeitig versucht, eine rechtzeitige ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit zu erlangen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht darauf vertrauen durfte, noch am 18.6.2018 eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erhalten, waren nicht festzustellen und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Dass es nicht an diesem Tag zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gekommen ist, sondern erst verspätet am 20.6.2018, ist maßgeblich nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern dem Vertragsarzt und der Krankenkasse. Denn das vom Vertragsarzt angeleitete Praxispersonal hat ihr trotz Schilderung ihres Anliegens wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin erst für den 20.6.2018 gegeben, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die dahinter stehende (naheliegende) Fehlvorstellung, dass rückwirkende Arbeitsunfähigkeits-Feststellungen für Versicherte nicht leistungsschädlich seien, haben Krankenkassen mit zu verantworten, weil sie als maßgebliche Mitakteure im Gemeinsamen Bundesausschuss an dessen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie beteiligt sind, die eine begrenzte rückwirkende ärztliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung zulässt.
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