05.05.2014

Krankenrückkehrgespräche können der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen

Führt ein Arbeitgeber mit seinen Beschäftigten sog. Krankenrückkehrgespräche, um Informationen über Krankheitsursachen zu erhalten, so kann insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gespräche sowohl dazu dienen, arbeitsplatzspezifische Einflüsse zu beseitigen, als auch dazu, individualrechtliche Maßnahmen bis zur Kündigung des Arbeitnehmers durchzuführen.

LAG München 13.2.2014, 3 TaBV 84/13
Der Sachverhalt:
Bei der Arbeitgeberin handelt es um ein bundesweites Unternehmen des Mode-Einzelhandels. Sie führt insbesondere nach längeren Krankheitszeiten, aber z.B. auch nach der Rückkehr aus der Elternzeit sog. "Welcome-Back-Gespräche" mit ihren Mitarbeitern. Diese dienen u.a. dazu herauszufinden, ob ein Mitarbeiter evt. Probleme hat und wie die Arbeitgeberin hierbei helfen kann, um etwaige Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen oder um ggf. individualrechtliche Folgemaßnahmen in Gestalt einer personenbedingten Kündigung o.Ä. zu erwägen.

Der in der Filiale in M. gebildete Betriebsrat war der Auffassung, dass die Arbeitgeberin solche Krankenrückkehrgespräche nur mit seiner Zustimmung durchführen darf. Sein Mitbestimmungsrecht folge aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Gespräche dienten auch der Verhinderung des sog. "Krankfeierns" und von Krankschreibungen bei leichtem Krankheitsgefühl und beträfen daher Fragen der betrieblichen Ordnung. Die Arbeitnehmer würden nach einer bestimmten Systematik zu den Gesprächen geladen. Ein kollektiver Bezug ergebe sich zudem aus der Formalisierung des Verfahrens.

Das Arbeitsgericht verneinte ein Mitbestimmungsrecht. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hob das LAG die Vorentscheidung insoweit auf und gab der Arbeitgeberin auf, künftig nicht mehr ohne Zustimmung des Betriebsrats bzw. Ersetzung der Zustimmung durch einen Spruch der Einigungsstelle Krankenrückkehrgespräche durchzuführen. Es ließ wegen abweichender Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte allerdings die Rechtsbeschwerde zum BAG zu.

Die Gründe:
Dem Betriebsrat steht im Hinblick auf die streitigen Krankenrückkehrgespräche aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Das BAG hat mit Beschluss vom 8.11.1994 (Az.: 1 ABR 22/94) weitestgehend geklärt, unter welchen Voraussetzungen solche Gespräche mitbestimmungspflichtig sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Durchführung der Krankenrückkehrgespräche setzt im Hinblick auf die von der Arbeitgeberin angegebenen Ziele eine Auswahl der Arbeitnehmer nach abstrakten Regeln voraus. Andernfalls ist es weder möglich, mit denjenigen Arbeitnehmern ein Gespräch zu führen, die besonders lange Fehlzeiten haben, noch mit denjenigen Arbeitnehmern, bei denen individualrechtliche Folgemaßnahmen erwogen werden.

Es besteht auch zumindest in Teilen ein formalisiertes Verfahren zur Durchführung der Krankenrückkehrgespräche. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Arbeitgeberin ein Formular für "Mitarbeitergespräche" eingereicht, das Inhalt und Ziel des Gesprächs sowie eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer festhält. Darüber hinaus führt die Arbeitgeberin An- und Abwesenheitslisten, die eine bessere Übersicht über die krankheitsbedingten Fehltage von Arbeitnehmern ermöglichen und der Vorbereitung der Krankenrückkehrgespräche dienen.

Schließlich ist auch ein besonderes Schutzbedürfnis der zum Gespräch herangezogenen Arbeitnehmer zu bejahen. Die Arbeitgeberin versucht nach eigenen Angaben, Informationen über die Fehlzeiten zu bekommen. Insoweit besteht für die Beschäftigten ein faktischer Zwang, die Arbeitgeberin über die Art ihrer Erkrankung zu informieren und sich hierdurch ggf. selbst zu schaden, obwohl sie zu solchen Informationen nicht verpflichtet sind.

juris
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