08.06.2018

Kunde mit Neuwagen verschwunden: Haftet der Verkäufer dem Autohaus wegen ausstehender Kaufpreisraten?

Das BAG hat sich vorliegend mit der Frage befasst, inwieweit der Verkäufer eines Autohauses haftet, wenn er ein Fahrzeug trotz entgegenstehender interner Anweisung an einen Kunden herausgibt, wenn dieser den Kaufpreis nicht vollständig bezahlt hat. Der Käufer und das Fahrzeug blieben in dem zu entscheidenden Fall unauffindbar.

BAG 7.6.2018, 8 AZR 96/17
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war in dem Autohaus der Klägerin als Verkäufer beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien war bestimmt, dass mit Ausnahme von Provisionsansprüchen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verfallen, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Im Betrieb der Klägerin bestand die Anweisung, ein Neufahrzeug, das entweder nicht vollständig bezahlt war oder für das keine gesicherte Finanzierung vorlag, nicht an einen Käufer herauszugeben, es sei denn, dass eine Einwilligung der Geschäftsleitung vorlag.

Am Freitag, den 19.9.2014 erschien ein Kunde zur Abholung eines von ihm im Mai bestellten Neuwagens. Der Kunde leistete auf den Kaufpreis eine Anzahlung, drängte auf Überlassung des Pkw für das kommende Wochenende und sagte zu, das Fahrzeug am Montag, den 22.9.2014 zurückzubringen, woraufhin der Beklagte dem Kunden das Fahrzeug überließ. Der Kunde brachte das Fahrzeug allerdings nicht wieder zurück. Auf eine von der Klägerin im September 2014 erstattete Strafanzeige hin wurden der Kunde Ende Oktober 2014 in Italien festgenommen und das Fahrzeug im November 2014 beschlagnahmt. Nach Aufhebung des Haftbefehls sowie der Beschlagnahme gaben die italienischen Behörden das Fahrzeug wieder an den Kunden heraus. Im Februar 2015 nahm die anwaltlich vertretene Klägerin Kontakt mit den Anwälten des Kunden auf und verhandelte - letztlich erfolglos - jedenfalls über die Zahlung des Restkaufpreises durch den Kunden.

Ferner beauftragte sie eine Detektei mit dem Ziel der Wiederbeschaffung des Fahrzeugs. Diese teilte der Klägerin im April/Mai 2015 mit, dass der Kunde unter den von der Klägerin angegebenen Anschriften nicht auffindbar sei. Am 20.8.2015 reichte die Klägerin beim LG Freiburg eine Klage gegen den Kunden ein, deren Zustellung scheiterte. Mit Schreiben vom 20.11.2015 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos auf, seine Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Im Dezember erhob sie gegen den Beklagten Klage, mit der sie diesen auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rd. 30.000 € in Anspruch nahm. In diesem Betrag waren auch die Anwalts- und Gerichtskosten für das Verfahren vor dem LG Freiburg enthalten.

ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Es konnte vorliegend offenbleiben, ob der Beklagte durch die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden seine Vertragspflichten verletzt hat; das LAG hat insoweit zutreffend angenommen, dass etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin aufgrund der vertraglichen Ausschlussklausel verfallen sind. Die Ausschlussfrist begann spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, als sich die Klägerin entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben, also jedenfalls vor dem 20.8.2015. Daher hat das Schreiben der Klägerin vom 20.11.2015, sofern dieses überhaupt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfüllt, die Ausschlussfrist nicht gewahrt.

Etwas anderes folgt im Hinblick auf den Fristbeginn weder aus § 254 Abs. 2 BGB noch aus § 241 Abs. 2 BGB. Danach war aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls keine vorrangige gerichtliche Inanspruchnahme des Kunden durch die Klägerin geboten, da es dieser nicht ohne weiteres möglich war, den Kunden mit rechtlichem und vor allem wirtschaftlichem Erfolg in Anspruch zu nehmen. Als die Klägerin sich entschloss, Klage gegen den Kunden zu erheben, war erkennbar, dass eine solche Klage keine realistische Aussicht bot, von dem Kunden überhaupt irgendeine Leistung zu erlangen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
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BAG PM Nr. 30 vom 8.6.2018
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