09.08.2021

Mietübernahme als Sozialhilfe für Häftling

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die Miete eines Häftlings in bestimmten Fällen vom Sozialamt übernommen werden muss.

LSG Niedersachsen-Bremen v. 24.6.2021 - L 8 SO 50/18
Der Sachverhalt:
Zugrunde lag das Verfahren eines 43-jähriges Mannes aus Stade. Seit 2005 bewohnt er eine Zweizimmerwohnung zu einer Kaltmiete von 225,- €, die bislang vom Jobcenter übernommen wurde. Wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung und Alkoholismus steht er unter Betreuung. Als er im Jahre 2014 eine etwa siebenmonatige Freiheitsstrafe antreten musste, beantragte er beim Sozialamt die Übernahme der Mietkosten während der Haftzeit. Dort wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Haftzeit sechs Monate überschreite. Nach der Entlassung könne sich der Betreuer um eine neue Wohnung kümmern.

Das LSG hat das Sozialamt zur Übernahme der Mietkosten verpflichtet.

Die Gründe:
Bei dem Betroffenen sind durch drohenden Wohnungsverlust bei Haftentlassung besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten zu prognostizieren gewesen, die er nicht aus eigener Kraft hätte überwinden können. Bei ihm besteht eine instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung. Es hat daher eine Verschärfung seiner Schwierigkeiten nach der Haftentlassung gedroht, so dass er jedenfalls geordnete Verhältnisse wie eine vertraute Wohnung vorfinden sollte. Außerdem wären auch durch einen Wohnungswechsel spürbare Kosten angefallen. Daher kann eine seit fast zehn Jahren bewohnte Wohnung gehalten werden.

Selbst wenn ein Wohnungswechsel zumutbar gewesen wäre, hat das Sozialamt es versäumt, dem Mann angesichts der relativ kurzen Haftstrafe die nötige schnelle Orientierungshilfe anzubieten. Da das Amt die Kostenübernahme rechtswidrig abgelehnt hat, muss es nicht nur die Mietkosten, sondern auch die Kosten für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage von ca. 2.000 € tragen.

Ob die Miete übernommen werden muss, hängt immer von einer Prognose im Einzelfall ab. Je näher die Entlassung rückt, desto konkreter kann ein Anspruch werden und je länger die Haft noch dauert, desto schwieriger wird es für die Betroffenen. Grundsätzlich gibt es aber keine starren Grenzen.
LSG Niedersachsen-Bremen PM vom 9.8.2021
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