Mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts kann nur eingeschränkt statistisch belegt werden
BAG 18.9.2014, 8 AZR 753/13Die Klägerin hatte sich bei dem beklagten lokalen Radiosender um eine Vollzeitstelle als Buchhalterin beworben. Sie bekam eine Absage, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. In den zurückgesandten Unterlagen befand sich im Lebenslauf neben der Angabe der Klägerin zum Familienstand ("verheiratet, ein Kind") ein handschriftlicher Vermerk "7 Jahre alt!". Dieser Vermerk und die von der Klägerin stammende Angabe "ein Kind" waren unterstrichen.
Die Klägerin sah sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass die Beklagte Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Die Beklagte machte dagegen geltend, die Bewerbung der Klägerin lediglich wegen der besseren Qualifikation der anderen Bewerber abgelehnt zu haben: Eingestellt worden sei eine junge verheiratete Frau, die über eine höhere Qualifikation verfüge.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; das LAG gab ihr unter Verweis auf eine Statistik (Mikrozensus) über den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten statt und sprach ihre eine Entschädigung i.H.v. 3.000 Euro zu. Auf die Revision der Beklagten hob das BAG diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Die Gründe:
Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob die Klägerin gegen die Beklagte aus § 15 Abs. 2 AGG einen Anspruch auf Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts hat. Aber jedenfalls mit der vom LAG gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.
Steht eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts in Rede, kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium zwar grds. mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss jedoch aussagekräftig, d.h. für die umstrittene Fallkonstellation gültig sein. Daran fehlt es hier. Die vom LAG herangezogene Statistik über den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lässt keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu.
In dem Verhalten der Beklagten liegt aber möglicherweise eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau. Insoweit ist eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erforderlich. Die Sache war an das LAG als Tatsachengericht zurückzuverweisen, damit es diese Prüfung im zweiten Rechtsgang nachholen kann.
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