Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsründen begrenzt
LAG Hamm v. 4.4.2023 - 7 TaBV 177/22
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist als Unternehmen im Bereich Gebäudemanagement-Dienstleistungen mit 579 Mitarbeitern tätig. Die Beteiligte zu 3) ist bei der Antragstellerin beschäftigt und gehört seit acht Jahren dem Beteiligten zu 2), dem bei der Arbeitgeberin gewählten Betriebsrat, an. Die Arbeitgeberin gewährte allen Mitarbeitenden aufgrund der Belastungen während der Corona-Pandemie einen zusätzlichen freien Tag, der unabhängig von dem ansonsten bei ihr etablierten Urlaubs-Bewilligungsverfahren nach Rücksprache durch den jeweiligen Vorgesetzten gewährt werden kann.
Wegen dieses freien Tages kam es am 25.7.2022 zu einem Gespräch zwischen der Beteiligten zu 3) und ihrem Teamleiter (C.). Die Beteiligte zu 3) hatte für den 26. oder 27.7. um ihren freien Tag gebeten. Weitere Inhalte dieses Gesprächs blieben streitig. Die Arbeitgeberin erklärte, der Teamleiter habe das Gesuch wegen des freien Tages mit der Begründung abgelehnt, dass es aus Gründen der Abwesenheit vieler Mitarbeitender so gut wie unmöglich sei, den freien Tag zu genehmigen. Die Beteiligte zu 3) erschien am 26.7.2022 nicht zur Arbeit.
Die Arbeitgeberin ging von einer eigenmächtigen Urlaubsnahme aus. Am 3.8.2022 beantragte sie beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Der Betriebsrat stimmte dem nicht zu, formulierte am nächsten Tag einen Widerspruch und meldete zugleich Bedenken an. Im Wesentlichen teilte der Betriebsrat mit, dass die Beteiligte zu 3) den Eindruck gehabt habe, dass der freie Tag im Gespräch mit ihrem Teamleiter genehmigt worden sei.
Mit dem vorliegenden Antrag im Beschlussverfahren vom 9.8.2022 begehrte die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3). Der Antrag war zum EGVP-Versand abgesandt worden über ein besonderes Behördenpostfach (beBPo). Eine qualifizierte Signatur wurde nicht verwendet.
Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) antragsgemäß ersetzt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3.) und des Betriebsrates hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Antrag abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen.
Die Gründe:
Die Beschwerde war begründet, da die Arbeitgeberin innerhalb der Frist von zwei Wochen in Anwendung der Bestimmung des § 626 Abs. 2 BGB keinen zulässigen Antrag gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht gestellt hatte.
Die Beschwerdekammer folgte der ständigen BAG-Rechtsprechung, wonach bei der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei fehlender Zustimmung des Betriebsrates die im Recht der fristlosen Kündigung verankerte zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB zwischen Kenntnis vom Kündigungsgrund und Eingang des Antrages gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht einzuhalten ist. Da die auf das Verfahren nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu übertragende Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eine materiell-rechtliche Frist darstellt, kann diese materiell-rechtliche Wirkung nur eintreten, wenn die Arbeitgeberin innerhalb der zwei-Wochen-Frist einen zulässigen Antrag beim Arbeitsgericht stellt.
Der am 9.8.2022 beim Arbeitsgericht eingegangene Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) hat die zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB nicht gewahrt, da der Antrag nicht formwirksam gestellt worden war. Der Antrag war entgegen der Bestimmung des § 80 Abs. 2 ArbGG, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 130 Nr. 6 ZPO nicht unterzeichnet. Dabei hat die Beschwerdekammer nicht verkannt, dass vom reinen Gesetzeswortlauf her die Bestimmung des § 130 Nr. 6 ZPO, die das Unterschriftserfordernis begründet, als Sollvorschrift ausgestaltet ist. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung sowohl des BAG als auch des BGH, dass § 130 Nr. 6 ZPO ein zwingendes Formerfordernis beinhaltet (vgl. nur Zöller, ZPO, 34. Aufl./Greger, § 130 Rdnr. 6).
Soweit die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten hatte, die mit der Beschwerdeerwiderung "nachgeschobenen" Gründe zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) seien von der Beschwerdekammer jedenfalls zu berücksichtigen, da die entsprechenden Schriftsätze formwirksam beim LAG eingereicht worden seien, ist die Beschwerdekammer dem nicht gefolgt. Im Zustimmungsersetzungsverfahren zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG können Kündigungsgründe, die während des laufenden Verfahrens entstanden sind, nur nachgeschoben werden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag formwirksam bei Gericht eingereicht worden ist (Anschluss an BAG, Urteil vom 24.10.1996, 2 AZR 3/96).
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Die Antragstellerin ist als Unternehmen im Bereich Gebäudemanagement-Dienstleistungen mit 579 Mitarbeitern tätig. Die Beteiligte zu 3) ist bei der Antragstellerin beschäftigt und gehört seit acht Jahren dem Beteiligten zu 2), dem bei der Arbeitgeberin gewählten Betriebsrat, an. Die Arbeitgeberin gewährte allen Mitarbeitenden aufgrund der Belastungen während der Corona-Pandemie einen zusätzlichen freien Tag, der unabhängig von dem ansonsten bei ihr etablierten Urlaubs-Bewilligungsverfahren nach Rücksprache durch den jeweiligen Vorgesetzten gewährt werden kann.
Wegen dieses freien Tages kam es am 25.7.2022 zu einem Gespräch zwischen der Beteiligten zu 3) und ihrem Teamleiter (C.). Die Beteiligte zu 3) hatte für den 26. oder 27.7. um ihren freien Tag gebeten. Weitere Inhalte dieses Gesprächs blieben streitig. Die Arbeitgeberin erklärte, der Teamleiter habe das Gesuch wegen des freien Tages mit der Begründung abgelehnt, dass es aus Gründen der Abwesenheit vieler Mitarbeitender so gut wie unmöglich sei, den freien Tag zu genehmigen. Die Beteiligte zu 3) erschien am 26.7.2022 nicht zur Arbeit.
Die Arbeitgeberin ging von einer eigenmächtigen Urlaubsnahme aus. Am 3.8.2022 beantragte sie beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Der Betriebsrat stimmte dem nicht zu, formulierte am nächsten Tag einen Widerspruch und meldete zugleich Bedenken an. Im Wesentlichen teilte der Betriebsrat mit, dass die Beteiligte zu 3) den Eindruck gehabt habe, dass der freie Tag im Gespräch mit ihrem Teamleiter genehmigt worden sei.
Mit dem vorliegenden Antrag im Beschlussverfahren vom 9.8.2022 begehrte die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3). Der Antrag war zum EGVP-Versand abgesandt worden über ein besonderes Behördenpostfach (beBPo). Eine qualifizierte Signatur wurde nicht verwendet.
Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) antragsgemäß ersetzt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3.) und des Betriebsrates hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Antrag abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen.
Die Gründe:
Die Beschwerde war begründet, da die Arbeitgeberin innerhalb der Frist von zwei Wochen in Anwendung der Bestimmung des § 626 Abs. 2 BGB keinen zulässigen Antrag gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht gestellt hatte.
Die Beschwerdekammer folgte der ständigen BAG-Rechtsprechung, wonach bei der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei fehlender Zustimmung des Betriebsrates die im Recht der fristlosen Kündigung verankerte zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB zwischen Kenntnis vom Kündigungsgrund und Eingang des Antrages gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht einzuhalten ist. Da die auf das Verfahren nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu übertragende Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eine materiell-rechtliche Frist darstellt, kann diese materiell-rechtliche Wirkung nur eintreten, wenn die Arbeitgeberin innerhalb der zwei-Wochen-Frist einen zulässigen Antrag beim Arbeitsgericht stellt.
Der am 9.8.2022 beim Arbeitsgericht eingegangene Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) hat die zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB nicht gewahrt, da der Antrag nicht formwirksam gestellt worden war. Der Antrag war entgegen der Bestimmung des § 80 Abs. 2 ArbGG, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 130 Nr. 6 ZPO nicht unterzeichnet. Dabei hat die Beschwerdekammer nicht verkannt, dass vom reinen Gesetzeswortlauf her die Bestimmung des § 130 Nr. 6 ZPO, die das Unterschriftserfordernis begründet, als Sollvorschrift ausgestaltet ist. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung sowohl des BAG als auch des BGH, dass § 130 Nr. 6 ZPO ein zwingendes Formerfordernis beinhaltet (vgl. nur Zöller, ZPO, 34. Aufl./Greger, § 130 Rdnr. 6).
Soweit die Arbeitgeberin die Auffassung vertreten hatte, die mit der Beschwerdeerwiderung "nachgeschobenen" Gründe zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) seien von der Beschwerdekammer jedenfalls zu berücksichtigen, da die entsprechenden Schriftsätze formwirksam beim LAG eingereicht worden seien, ist die Beschwerdekammer dem nicht gefolgt. Im Zustimmungsersetzungsverfahren zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gem. § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG können Kündigungsgründe, die während des laufenden Verfahrens entstanden sind, nur nachgeschoben werden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag formwirksam bei Gericht eingereicht worden ist (Anschluss an BAG, Urteil vom 24.10.1996, 2 AZR 3/96).
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