01.03.2018

Muss die Krankenkasse Krankengeld trotz verspäteter Vorlage der AU-Bescheinigung zahlen?

Grundsätzlich muss der Versicherte für eine rechtzeitige Übermittlung der AU-Bescheinigung sorgen. Versäumt er dies, führt dies regemäßig zu einem Verlust des Krankengeldanspruchs. Sofern der Arzt die AU-Bescheinigung jedoch nicht dem Versicherten aushändigt, sondern diese an die Krankenkasse selbst übermittelt, muss sich diese ausnahmsweise eine verspätete Übermittlung zurechnen lassen und trotz der Verspätung Krankengeld an den Versicherten zahlen.

SG Detmold 12.2.2018, S 3 KR 824/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war ab dem 1.6.2016 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Sie erkrankte am 10.6.2016 arbeitsunfähig und kündigte dann das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2016. Die AU-Bescheinigung vom 10.6.2016 ging am 1.7.2016 bei der beklagten Krankenkasse ein. Diese lehnte wegen verspäteter Vorlage die Zahlung von Krankengeld ab. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem SG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Krankengeld ruht für den Zeitraum vom 10.6.2016 bis zum 30.6.2016 und kommt damit nicht zur Auszahlung, da die AU-Bescheinigung verspätet übersandt worden ist. Die gesetzliche Meldepflicht ist eine Obliegenheit des Versicherten. Sie soll bezwecken, dass die Krankenkasse frühzeitig über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit informiert und in die Lage versetzt wird, vor der Entscheidung über den Krankengeldanspruch den Gesundheitszustand des Versicherten überprüfen zu lassen, um Zweifel an der ärztlichen Beurteilung zu beseitigen und gegebenenfalls auch Maßnahmen zur Sicherung des Heilerfolgs und zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit treffen zu können. Unterlässt der Versicherte die rechtzeitige Meldung, kommt es regelmäßig zu einem endgültigen Verlust des Krankengeldanspruchs.

Der Einwand der Klägerin, sie habe nicht gewusst, dass sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe, ist dabei unbedeutend. Ebenso kann sich die Klägerin nicht auf Organisationsmängel der Beklagten berufen. Die AU-Bescheinigung enthält den eindeutigen Hinweis: "Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse". Der Klägerin hätte daher klar sein müssen, dass sie die AU-Bescheinigung der Krankenkasse zu übersenden hat. Auf die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes kann sich die Klägerin nicht berufen, da sie keine Zahlung vom Arbeitgeber verlangen konnte.

Der Hintergrund:
In anderer Sache (Urteil vom 15.11.2017, S 5 KR 266/17) entschied das SG Detmold, dass die Krankenkasse ausnahmsweise trotz verspäteter Vorlage der AU-Bescheinigung Krankengeld zu zahlen hat. In diesem Streitfall händigte der Arzt der Versicherten nicht die AU-Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse aus, sondern veranlasste selbst die Versendung an die Krankenkasse mit dafür von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Freiumschlägen.

Der vorliegende Fall stellt eine Ausnahme von der grundsätzlichen Obliegenheitsverpflichtung des Versicherten dar. Treten in einer solchen Konstellation Verzögerungen bei der Übermittlung der AU-Bescheinigung ein, muss sich die Krankenkasse diese zurechnen lassen, wenn der Arzt auch nach Ablauf der Entgeltfortzahlung ungefragt die AU-Bescheinigung, die zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmt ist, nicht der Versicherten aushändigt, sondern die Versendung selbst übernimmt. Die Versicherte hat in diesem Fall keine Möglichkeit, selbst für den rechtzeitigen Zugang der Meldung zu sorgen. Eine Verpflichtung, die Krankenkasse auf anderem Weg zu informieren, besteht nicht. Die Klägerin durfte daher auf die rechtzeitige Übermittlung vertrauen. Das Zurverfügungstellen der Freiumschläge ist zudem als Hinweis auf die berechtigte Nutzung dieses Übermittlungswegs zu sehen.

Linkhinweise:
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