21.02.2019

Neue Runde im Chefarzt-Fall: BAG erklärt Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung für unwirksam

Ein der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus darf seine Beschäftigten in leitender Stellung bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des katholischen Selbstverständnisses zu verhalten, nur dann nach ihrer Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

BAG v. 20.2.2019 - 2 AZR 746/14
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Trägerin von Krankenhäusern und institutionell mit der katholischen Kirche verbunden. Der katholische Kläger war bei ihr als Chefarzt beschäftigt. Dem Dienstverhältnis lag die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO 1993) zugrunde.

Der Kläger war nach katholischem Ritus verheiratet. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete er ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich. Nach ihrer Ansicht handelte es sich bei der für die katholische Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß gem. Art. 5 Abs. 2 GrO 1993.

Hiergegen wehrte sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage. Arbeitsgericht und LAG gaben der Klage statt. Über ein in diesem Verfahren ergangenes Vorabentscheidungsersuchen des Senats zum Inhalt und zur Auslegung des Unionsrechts entschied der EuGH mit Urteil vom 11.9.2018. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG kein Erfolg.

Die Gründe:
Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

Die von der Beklagten genannte Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien ist gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt ist. Die Regelung benachteiligt den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist.

Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG. Die Loyalitätspflicht war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.

Nationales Verfassungsrecht steht dem nicht entgegen. Das Unionsrecht darf die Voraussetzungen, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten.

Linkhinweis:
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BAG PM Nr. 10/19
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