14.12.2018

Niedersächsische Regelungen zur Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit sind verfassungswidrig

Eine Besoldungsregelung, nach der aus gesundheitlichen Gründen begrenzt dienstfähige Beamte lediglich eine an der freiwilligen Teilzeitbeschäftigung orientierte Besoldung erhalten, ist verfassungswidrig. Zwar darf der Gesetzgeber die durch die begrenzte Dienstfähigkeit eingetretene Störung des wechselseitigen Pflichtengefüges besoldungsmindernd berücksichtigen. Begrenzt dienstfähige Beamte scheiden aber anders als bei einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit nicht vorzeitig aus dem aktiven Dienst aus.

BVerfG v. 28.11.2018 - 2 BvL 3/15
Der Sachverhalt:

Die Klägerin steht seit 1993 als Förderschullehrerin (Besoldungsgruppe A 13) im Dienst des Landes Niedersachsen. In der Folge nahm sie drei Mal für jeweils rund anderthalb Jahre Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit. In der übrigen Zeit variierte ihr Beschäftigungsumfang.

Zum 1.1.2003 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Auf ihren Antrag hin wurde sie 2007 erneut in das Beamtenverhältnis berufen, wobei die von ihr zu unterrichtende Wochenstundenzahl entsprechend der festgestellten begrenzten Dienstfähigkeit um 50 % ermäßigt wurde. Sie erhielt Bezüge entsprechend denen einer Teilzeitbeschäftigten (50 % der Vollzeitbezüge). Diese waren höher als ihr bis dahin erdientes Ruhegehalt. Ein Zuschlag wurde ihr zunächst unter Hinweis auf die Aufzehrungsregelung verwehrt. Nach der Gesetzesänderung im Jahr 2015 wurde der Klägerin rückwirkend der Mindestzuschlag ausgezahlt.

Nach den verfahrensgegenständlichen Besoldungsvorschriften des Landes Niedersachsen erhalten begrenzt dienstfähige Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter, die in vollem zeitlichen Umfang ihrer Dienstfähigkeit Dienst leisten, Dienstbezüge wie bei einer freiwilligen Teilzeitbeschäftigung, mindestens jedoch in Höhe des Ruhegehalts, das ihnen bei Versetzung in den Ruhestand zustünde. Hinzu kommt ein Zuschlag, der sich grundsätzlich auf 5 % der Vollzeitbezüge beläuft. Dieser Zuschlag konnte bis zu einer Gesetzesänderung im Jahr 2015 unter bestimmten Umständen vollständig aufgezehrt werden, seither beträgt er monatlich mindestens 150 €.

Das BVerwG hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 24 Abs. 1 NBesG 2014 und § 24 Abs. 1 NBesG 2015 mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sind. Dies hat das BVerfG verneint.

Die Gründe:

§ 24 Abs. 1 NBesG 2014, § 24 Abs. 1 NBesG 2015 und § 12 Abs. 1 bis 3 NBesG 2017 sind mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar.

Zwar ist der Gesetzgeber im Grundsatz berechtigt, auf ein vorzeitiges Ausscheiden von Beamten mit einer Verminderung der Versorgungsbezüge zu reagieren. Dies folgt nicht nur aus dem Leistungsgrundsatz, demzufolge sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlagen muss, sondern findet seine Rechtfertigung auch in dem Umstand, dass ein vorzeitiges Ausscheiden zu einem Ungleichgewicht zwischen Alimentierung und Dienstleistung, mithin zu einer Störung des wechselseitigen Pflichtengefüges, führt. Die Herabsetzung der Arbeitszeit bei begrenzt dienstfähigen Beamten ist allerdings bei funktionaler Betrachtung mit einer teilweisen Zurruhesetzung vergleichbar. Vor diesem Hintergrund kann an die BVerG-Rechtsprechung zur versorgungsrechtlichen Behandlung des Vorruhestandes angeknüpft werden. Danach darf eine alimentationsrechtliche Regelung insbesondere (auch) darauf ausgerichtet werden, Fehlanreizen für eine verfrühte Pensionierung entgegenzuwirken.

Im Vergleich zur Versorgung von Ruhestandsbeamten ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter allerdings enger. Über das Abstandsgebot und das Gebot zur besoldungsrechtlichen Anerkennung eines Beförderungserfolges hinaus muss er dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um aktive Beamte handelt, die ihre verbliebene Arbeitskraft ganz für ihren Dienstherrn einsetzen. Deshalb hat er sich an der von ihm selbst für amtsangemessen erachteten Vollzeitbesoldung zu orientieren.

§ 24 Abs. 1 NBesG 2015 genügt diesen Maßstäben nicht. Die Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter entfernt sich zu weit von der für amtsangemessen erachteten Vollzeitbesoldung. Bei einer auf 50 % begrenzten Dienstfähigkeit liegt die Besoldung der betroffen Beamten und Richter der Besoldungsgruppen A 11, A 13 und R 1 auch nach einer Dienstzeit von 25 Jahren bei nur rund 60 % der Vollzeitbezüge. Selbst im 35. Dienstjahr werden nur rund zwei Drittel der Vollzeitbezüge erreicht. Der Gesetzgeber hat sich folglich nicht nur gesetzestechnisch, sondern auch vom erreichten Besoldungsniveau her an der Teilzeit- und nicht an der Vollzeitbesoldung orientiert. Er hat die bestehende Konfliktlage einseitig zu Lasten der Beamten aufgelöst. Zudem werden das Abstandsgebot und das Gebot zur besoldungsrechtlichen Anerkennung des Beförderungserfolgs missachtet.

Letztlich ist § 24 Abs. 1 NBesG 2014 auch nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Die Vorschrift unterscheidet sich von § 24 Abs. 1 NBesG 2015 allein dadurch, dass sie sogar eine vollständige Aufzehrung des Zuschlags zulässt. Die Feststellung der Unvereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 5 GG war aus Gründen der Rechtsklarheit auf die mit § 24 Abs. 1 NBesG 2015 im Wesentlichen identische Nachfolgeregelung des § 12 Abs. 1 bis 3 NBesG 2017 zu erstrecken.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidungen sind auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
  • Um direkt zu dem Volltext der Entscheidung zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BVerfG PM Nr. 86 vom 14.12.2018
Zurück