04.09.2018

Pensionskassenzahlungen aufgrund vom Arbeitnehmer selbst eingezahlter Beiträge sind in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung beitragsfrei

Es verstößt gegen das Gleichheitsgebot, wenn für die Berechnung der Beiträge von Rentnern zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung solche Pensionskassenzahlungen berücksichtigt werden, die auf einem Anteil beruhen, die nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom ehemaligen Arbeitnehmer selbst eingezahlt worden sind, während Erträge aus privaten Lebensversicherungen von pflichtversicherten Rentnern beitragsfrei sind.

BVerfG 27.6.2018, 1 BvR 100/15 u. 1 BvR 249/15
Der Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer waren vorübergehend und über ihren Arbeitgeber bei der als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ausgestalteten Pensionskasse versichert. Nach der Satzung wurden sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber Versicherungsnehmer und Mitglied im Versicherungsverein. Die Satzung sah zudem vor, dass die Versicherung nach Ende des Arbeitsverhältnisses freiwillig fortgesetzt werden konnte und in diesem Fall der ehemalige Arbeitnehmer Einzelmitglied und alleiniger Versicherungsnehmer wurde. Die Beschwerdeführer nahmen diese Möglichkeit wahr und zahlten nach dem Ende ihrer Arbeitsverhältnisse fast 18 bzw. 22 Jahre allein die Beiträge an die Pensionskasse. Die von der Pensionskasse geleisteten Renten beruhen weit überwiegend auf ihren Einzahlungen.

Die Beschwerdeführer sind als Rentner pflichtversicherte Mitglieder in einer gesetzlichen Krankenkasse und sozialen Pflegeversicherung, wofür die Pensionskasse monatliche Beiträge abführt. Für die Berechnung der Beiträge legt die Pensionskasse sämtliche Rentenzahlung zugrunde. Die von den Beschwerdeführern beantragte Beitragsfreiheit für die Leistungen, die auf ihren Einzahlungen nach dem Ende ihrer Arbeitsverhältnisse beruhen, lehnte die jeweilige Krankenkasse mit der Begründung ab, dass es sich dabei ebenfalls um Versorgungsbezüge in Form von Renten der betrieblichen Altersvorsorge handelte.

Die dagegen gerichteten Klagen hatten in allen Instanzen keinen Erfolg. Die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden, mit der die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügen, hatte Erfolg.

Die Gründe:

Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist im Streitfall verletzt. Es liegt eine Ungleichbehandlung zwischen der Beitragspflicht bei Leistungen einer Pensionskasse in der Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, die auf den alleinigen Zahlungen des Versicherten in einen Versicherungsvertrag ohne Beteiligung des ehemaligen Arbeitgebers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhen, und einer beitragsfreien Leistung aus einer bereits anfänglich privaten Lebensversicherung vor.

Die bisher vorgenommene Unterscheidung zwischen privater und betrieblicher Altersvorsorge allein nach der auszahlenden Institution überschreitet im Streitfall die Grenze einer im Rahmen des Art. 3 GG zulässigen Typisierung. Bei der Differenzierung ist vielmehr darauf abzustellen, ob der Versicherte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts weiterhin unverändert nutzt oder den Vertrag aus dem betrieblichen Bezug löst, d.h. es kommt auf die Vertragsgestaltung an. Der Zweck einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung schließt das Betreiben einer privaten Altersvorsorge nicht aus.

Dadurch, dass der Versicherte nach Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Pensionskasse einen neuen Vertrag ohne Beteiligung des Arbeitgebers abschließt und die Versicherungsleistung allein finanziert, verlässt er den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts. Einzahlungen des Versicherten unterscheiden sich dann nur unwesentlich von Einzahlungen auf privat abgeschlossene Lebensversicherungsverträge. Eine unterschiedliche Behandlung bei der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung rechtfertigt dies nicht.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

BVerfG PM Nr. 72/2018 vom 4.9.2018
Zurück