11.07.2022

Polizist mit nur einer Niere darf nicht ohne Weiteres entlassen werden

Ein Polizist, dem eine Niere entfernt wurde, darf nicht ohne genaue Prüfung seines Gesundheitszustands und der daraus folgenden Einschränkungen aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen werden.

VG Berlin v. 27.6.2022 - 36 L 220/22
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Bundespolizist im mittleren Polizeivollzugsdienst. Seit September 2016 absolvierte er den Vorbereitungsdienst, zum Mai 2019 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Während des Vorbereitungsdienstes wurde bei ihm zufällig eine asymptomatische Hydronephrose entdeckt, aufgrund derer schließlich eine Niere entfernt wurde. Die Antragsgegnerin hält den Antragsteller für (polizei-)dienstunfähig und hierfür gesundheitlich nicht geeignet, jedoch gesundheitlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst. Der Antragsteller wurde daraufhin - sofort vollziehbar - entlassen.

Das VG ordnete die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller dagegen eingelegten Rechtsbehelfs an. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim OVG eingelegt werden.

Die Gründe:
Es ist offen, ob die Entlassung materiell rechtmäßig ist. Die Antragsgegnerin hat den Gesundheitszustand des Antragstellers nicht ausreichend individuell geprüft. Ob dem Antragsteller aktuell oder prognostisch die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit fehlt, muss durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden.

Allein die Möglichkeit, dass die verbleibende Niere des Antragstellers durch die Polizeitätigkeit geschädigt werden könnte (z.B. bei Widerstandshandlungen gegen ihn), reicht jedenfalls nicht aus. Der Dienstherr muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von zukünftig eintretender Dienstunfähigkeit oder eine erheblich reduzierte Lebensdienstzeit belegen. Die Antragsgegnerin hat zudem nicht hinreichend geprüft, ob der Antragsteller ggf. im Innendienst verwendet werden oder die Laufbahn wechseln kann.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Das europarechtswidrige Einstellungserfordernis der gesundheitlichen Eignung - und die richtige Reaktion
Tim Husemann, ZFA 2021, 341

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VG Berlin PM Nr. 28 vom 8.7.2022
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