07.09.2017

Prozessunfähigkeit wegen sog. Querulantenwahns aufgrund hundertfacher gleichartiger aussichtsloser Verfahren

Von ausgeprägtem Querulantenwahn kann ausgegangen werden, wenn der Betroffene, Zweifel an der Richtigkeit seiner Position nicht mehr zulässt, absolut uneinsichtig ist und er den Kampf gegen den ursprünglichen Gegner auf andere Menschen und Instanzen ausweitet sowie nicht mehr in der Lage ist, die Behandlung seiner Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen. Führt er  unzählige aussichtlose Verfahren wegen vermeintlicher Diskriminierung und verursacht damit Kosten  in  existenzbedrohender Höhe, kann dies für eine Prozessunfähigkeit sprechen.

LAG Hamburg 9.8.2017, 3 Sa 50/16
Der Sachverhalt:
Im Juli 2013 hatte die Beklagte eine  Stelle  für Software Entwickler/in JEE ausgeschrieben. Die Klägerin bewarb sich darauf mittels Online-Bewerbungsformular. Die Beklagte sagte ihr jedoch ab. . Die Klägerin machte sodann Ansprüche nach dem AGG geltend und verlangte von der Beklagten eine Entschädigungszahlung i.H.v. 14.000 €, was ungefähr vier Bruttomonatsgehältern entsprach , da sie sich aufgrund ihrer Nichtberücksichtigung wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer russischen Herkunft diskriminiert fühle.

Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht wegen fehlender objektiver Geeignetheit der Klägerin für die Stelle als auch vor dem LAG - allerdings dort wegen Prozessunfähigkeit der Klägerin - keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg, weil die Prozessfähigkeit der Klägerin, eine wesentliche Prozessvoraussetzung, nicht festgestellt werden kann.

Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist auch noch in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen. Allgemein ist von der Prozessfähigkeit einer Partei auszugehen, es sei denn, es bestehen hinreichende Anhaltspunkte, die dagegen sprechen.

Im vorliegenden Fall bestehen an der Prozessfähigkeit der Klägerin erhebliche Zweifel. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine wahnhafte Entwicklung i.S.d. sog. Querulantenwahns gegeben ist, aufgrund dessen hinsichtlich der Führung von Rechtsstreitigkeiten wegen vermeintlicher Diskriminierungen dauerhaft ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit besteht. Von erheblichem Querulantenwahn kann ausgegangen werden, wenn der Betroffene wie im Streitfall, Zweifel an der Richtigkeit seiner Position nicht mehr zulässt, absolut uneinsichtig ist und er den Kampf gegen den ursprünglichen Gegner  auf andere Menschen und Instanzen überträgt und nicht mehr in der Lage ist, die Behandlung seiner Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen.

Die Klägerin führt  seit 2007 allein am LAG Hamburg einige hundert Rechtsmittelverfahren oder Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die überwiegend aussichtlos waren. Gegenstand der Verfahren sind dabei zumeist vermeintliche Diskriminierungen in Bewerbungsverfahren, wegen derer die Klägerin Entschädigung begehrt. Die Klägerin verursachte dabei bereits enorme Gerichts- und Anwaltskosten gegen sich in einer ihre Existenz bedrohenden Höhe. Sie handelt so auch gegen ihre eigenen Interessen, dass von einer Steuerungsfähigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann.

Die Anhaltspunkte, die für eine Prozessunfähigkeit sprechen, werden durch die vom Arbeitsgericht Hamburg im Verfahren 29 Ca 63/16 gutachterliche Stellungnahme des ärztlichen Gutachters bestätigt. Danach ist die Klägerin nicht mehr ausreichend in der Lage, die tatsächlichen Sachverhalte zu erfassen und vernünftige prozessuale Entscheidungen zu treffen. Da die Klägerin nicht bereit gewesen ist, bei der Aufklärung der Frage der Prozessfähigkeit durch ein Sachverständigengutachten mitzuwirken, hat dies zu Folge, dass in Bezug auf die Prozessfähigkeit der Klägerin nach Beweislast zu entscheiden ist. Folglich ist von der Prozessunfähigkeit aufgrund der hinreichenden Anhaltspunkte auszugehen.

Linkhinweis:
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