10.10.2014

Recht auf medizinische Behandlung im EU-Ausland gestärkt

Nach Unionsrecht kann einem Arbeitnehmer die Genehmigung zur Erstattung im Ausland entstandener Behandlungskosten nicht verweigert werden, wenn das Fehlen von Medikamenten und grundlegendem medizinischen Material verhindert, dass der Sozialversicherte die Krankenhausbehandlung in seinem Wohnsitzmitgliedstaat rechtzeitig erhält. Diese Unmöglichkeit ist sowohl auf der Ebene sämtlicher Krankenhauseinrichtungen zu beurteilen, die in der Lage sind, diese Behandlung in diesem Mitgliedstaat vorzunehmen, als auch im Hinblick auf den Zeitraum, in dem diese Behandlung rechtzeitig erlangt werden kann.

EuGH 9.10.2014, C-268/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist rumänische Staatsangehörige. Sie leidet an einer schweren Erkrankung der Herzgefäße, deren Verlauf einen Krankenhausaufenthalt in einer Fachklinik in Rumänien erforderlich gemacht hatte. Die ärztlichen Untersuchungen führten zu der Entscheidung, eine Operation am offenen Herzen vorzunehmen. Während des Krankenhausaufenthaltes stellte die Klägerin allerdings fest, dass es an Medikamenten und an grundlegendem medizinischen Material fehle und dass die Zahl der Betten unzureichend sei. Auch im Hinblick auf die möglichen Komplikationen des chirurgischen Eingriffs, entschied sie sich für eine Operation in Deutschland. Infolgedessen beantragte die Klägerin bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten dieses Eingriffs.

Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, aus dem Bericht des behandelnden Arztes gehe nicht hervor, dass die beantragte Leistung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums in Rumänien erbracht werden könne. Die Kosten des Eingriffs beliefen sich auf insgesamt knapp 18.000 €. Das Tribunal Sibiu (Landgericht in Rumänien) ersuchte daraufhin den EuGH, zu bestimmen, ob die Situation, in der die grundlegenden Medikamente und das grundlegende medizinische Material fehlten, einer Situation gleichzusetzen ist, in der die erforderliche medizinische Versorgung im Wohnland nicht gewährleistet werden kann, so dass einem Staatsangehörigen dieses Landes auf seinen Antrag hin die Genehmigung erteilt werden muss, diese Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch zu nehmen, und zwar auf Kosten des Systems der sozialen Sicherheit des Wohnlandes.

Dies hat der EuGH nun bejaht.

Die Gründe:
Die Genehmigung zur Erstattung im Ausland entstandener Behandlungskosten darf nicht verweigert werden, wenn das Fehlen von Medikamenten und grundlegendem medizinischen Material verhindert, dass der Sozialversicherte die Krankenhausbehandlung in seinem Wohnsitzmitgliedstaat rechtzeitig erhält.

Diesbezüglich stellt das Unionsrecht zwei Voraussetzungen auf, bei deren Erfüllung die vorherige Genehmigung zur Erstattung der Behandlungskosten erteilt werden muss. Zunächst muss die betreffende Behandlung zu den Leistungen gehören, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dessen Gebiet der Sozialversicherte wohnt. Sodann muss ausgeschlossen sein, dass der Sozialversicherte die Behandlung, die er im Ausland erhalten will, in Anbetracht seines derzeitigen Gesundheitszustands und des Verlaufs seiner Krankheit in einem Zeitraum erhalten kann, der für die gewünschte Behandlung in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, normalerweise erforderlich ist.

Im Hinblick auf die letztgenannte Voraussetzung ist zu beachten, dass die erforderliche Genehmigung nicht verweigert werden darf, wenn die gleiche oder eine ebenso wirksame Behandlung in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Betroffene wohnt, nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, muss der zuständige Träger sämtliche Umstände des konkreten Falles beachten. Folglich kann das Fehlen von Medikamenten und grundlegendem medizinischen Material die Vornahme einer gleichen oder ebenso wirksamen rechtzeitigen Behandlung im Wohnsitzmitgliedstaat unmöglich machen. Diese Unmöglichkeit ist zum einen auf der Ebene sämtlicher Krankenhauseinrichtungen des Wohnsitzmitgliedstaates zu beurteilen, die in der Lage sind, die betreffende Behandlung vorzunehmen, und zum anderen im Hinblick auf den Zeitraum, in dem diese Behandlung rechtzeitig erlangt werden kann.

Die Klägerin sei angeblich berechtigt gewesen, sich an andere Gesundheitseinrichtungen zu wenden, die in Rumänien über die zur Durchführung des bei ihr erforderlichen Eingriffs notwendige Ausstattung verfügten. Außerdem sei dem Bericht des behandelnden Arztes zu entnehmen, dass der Eingriff innerhalb von drei Monaten habe durchgeführt werden müssen. Es ist nun Sache des nationalen Gerichtes, zu prüfen, ob der Eingriff innerhalb dieses Zeitraums nicht in einer anderen Krankenhauseinrichtung in Rumänien hätte durchgeführt werden können.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 134 v. 9.10.2014
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